Ein geeigneter Fenstereinbau ist wichtig, um die thermischen Qualitäten der hochwärmegedämmten Verglasungen und Rahmen auch zu nutzen. Besonders beim Massivbau ist auf den richtigen Einbau zu achten, da hier Materialien mit sehr unterschiedlichen Wärmeleitfähigkeiten zum Einsatz kommen. Die Dämmschichten sollten ohne Versatz durchlaufen und vollflächig aneinander anstoßen.
Selbstverständlich: öffenbare Fenster
Fast regelmäßig wird gefragt, ob in Passivhäusern wegen der dort verwendeten Wohnungslüftungsanlagen die Fenster nicht mehr geöffnet werden können. Darauf gibt es eine klare Antwort: In jedem Wohnraum eines Passivhauses sollte es mindestens ein öffenbares Fenster geben. Bei Bedarf kann und darf das Fenster geöffnet werden. Das Lüftungssystem sorgt ‚nur‘ für die erforderliche Menge an frischer Luft. Will man Wohnräume auch im Sommer kühl halten, kann ein Öffnen der Fenster insbesondere in der Nacht und morgens hilfreich sein.
Erfahrungen in messtechnisch begleiteten Passivhäusern zeigen, dass generell nur ein kleiner Prozentsatz der Bewohner im Winter regelmäßig die Fenster so lang öffnet, dass dies überhaupt einen nennenswerten Einfluss auf den Energieverbrauch hat. Und selbst in diesen Fällen war der resultierende Mehrverbrauch immer noch tolerierbar. Natürlich ist der Verbrauch noch geringer, wenn die Bewohner, wie überwiegend üblich, die garantierte Behaglichkeit und Luftqualität einfach genießen – und im Winter nicht durch unnötiges Fensteröffnen reduzieren.
Was kommt nach dem Passivhaus?
Nach dem Passivhaus, da kommt…das Passivhaus! Ein Standard, der ein Minimum an Lebenszykluskosten erreicht, schon heute eine nachhaltige Lösung darstellt – und der allen Menschen heute und in Zukunft einen Komfort garantieren kann, wie ihn derzeit nur wenige genießen können, ist so leicht nicht zu toppen. Selbstverständlich wird die Entwicklung weitergehen und das Passivhaus des Jahres 2100 wird ganz anders aussehen als das erste Pilotprojekt von 1991: Es ist aber faszinierend zu sehen, wie modern das allererste Passivhaus im Vergleich zu den heutigen Objekten immer noch erscheint.
In unserer schnelllebigen Welt wird die Frage nach dem „Danach“ ganz oft schon gestellt, bevor eine Entwicklungsphase sich überhaupt vollständig entfaltet hat. Das Passivhaus ist derzeit auf dem Weg aus der Nische in die allgemeine, selbstverständliche Umsetzung beim Neubau. Es steht nicht im Zweifel, dass dieses Ergebnis derzeit (2009) noch nicht erreicht ist. Trotzdem ist es sinnvoll, sich einige grundsätzliche Gedanken über eine sinnvolle Gesamtentwicklung zu machen – denn was in Wahrheit hinter dieser Frage steht, ist dem Autor dieser Zeilen natürlich bewusst: Gibt es nicht eine „bequemere Lösung“ nach dem Passivhaus? Wäre es nicht für mich (als Hersteller) besser, sich gleich auf diese bequeme Lösung einzustellen – anstelle der Anstrengungen, die erforderlich sind, um das Passivhaus zu erreichen?
Die Antworten darauf sind einfach: Der Passivhaus-Standard ist die bequemste Lösung für die absehbare Zukunft. Das kann man natürlich nur erkennen, wenn man sich damit einmal beschäftigt und die Beschäftigung wird einem leicht gemacht: Durch Tagungen, Fortbildungsangebote im Internet: http://www.passivhauskurs.de, bis hin zu Hochschul-Studiengängen. Bequemer könnte es allenfalls werden, wenn man darauf hofft, dass in Kürze vielfach erhoffte „Erlösungskonzepte“ doch noch sehr kostengünstig verfügbar werden: Darin liegen manche Hoffnungen, wie weltweite Pressemeldungen über „Erfolg bei der kalten Kernfusion“ oder „Lässt sich der Treibhauseffekt durch artifizielle Wolkenbildung stoppen“ deutlich machen. Aber: Alle solche Meldungen haben sich immer wieder als ‚Enten‘ erwiesen.
Wer sich ernsthaft mit dem Konzept des Passivhauses beschäftigt hat, wird feststellen, dass das Optimum erreicht wird. Schließlich bietet das Passivhaus eine Lösung für die im Bausektor vor uns stehende unumgängliche Entwicklung zur Reduktion des Einsatzes von fossilen Energieträgern um mehr als einen Faktor Vier. Diese Lösung ist in der Praxis erprobt, sie ist universell anwendbar (Neubau, Altbau, Massivbau, Holzbau, Wohnungen, Büros, Hallen, Schulen,…, kalte Klimazonen, heiße Klimazonen, trockene Klimazonen, feuchte Klimazonen) sie funktioniert zuverlässig. Und nicht zuletzt bieten Passivhäuser hohe Behaglichkeit und eine hohe Luftqualität.
Der Passivhausstandard bietet zwar die geforderte radikale Verringerung des fossilen Energiebedarfs – aber er benötigt dazu nicht die befürchtete radikale Veränderung unserer Wohn- und Baukultur. Ganz im Gegenteil, er erlaubt es, diese Kulturentwicklung dort fortzusetzen, wo sie heute steht:
Bisher sind alternative Konzepte, die zuverlässig Ähnliches leisten, noch nicht einmal systematisch untersucht worden – Publikationen über Validierungen sind nicht zu finden. Das hindert natürlich Niemanden daran, solche Alternativen zu verfolgen und weiterzuentwickeln. Solche Anstrengungen brauchen wir!
Wie im ersten Teil dieses Fachartikels aufgezeigt, erfordert das Passivhaus keine neue Bauweise und noch nicht einmal völlig neue Baukomponenten: Die sprunghaft verbesserte Qualität des Passivhausstandards beruht vielmehr auf heute bereits verfügbaren graduellen Verbesserungen bei den ohnehin in jedem Bauwerk notwendig vorhandenen Komponenten: Den Wänden, Dächern, Böden, Fenstern, Lüftungen. Die erforderlichen Entwicklungen bedeuten für jede einzelne Komponente einen Wertzuwachs, der aber mit einem nur geringen zusätzlichen Aufwand erzielt wird (Beispiel: wenn herkömmliche Verglasungen heute üblicherweise bereits zwei Scheiben aufweisen, dann bedeutet die erforderliche Dritte Scheibe einen Zuwachs des Aufwandes um weniger als 50 Prozent. Der erzielte Qualitätsgewinn ist aber der von einer Wärmeverlustverglasung (Netto-Winter-Wärmeverlust in allen Orientierungen) zu einer Wärmegewinnverglasung (Netto-Wärmegewinn in südlich orientierten Fenstern) und von einer Komfortminderung (Strahlungstemperatur-Asymmetrie) zur Komfortneutralität.
Es könnte sich also herausstellen, dass die gesuchte „bequemst-mögliche Lösung“ eben gerade der Passivhaus-Standard ist. Er erfüllt alle Voraussetzungen: Zunächst einmal ist er nachweislich eine Lösung; dann erweist er sich als allgemein einsetzbar; schließlich ist Passivhausstandard selbst jetzt, ohne bereits selbstverständlich allgemein eingeführter Standard zu sein, die wirtschaftlichste Lösung; und der Standard ermöglicht es Allen, dies es nur wollen, mitzuziehen.
Warum bauen wir nicht überall schon so?
Wenn dem so ist, so wird immer wieder gefragt, wenn das Alles so positiv ist, warum bauen wir dann nicht schon längst überall im Passivhausstandard? Wo liegen die Hemmnisse? Auch dazu sind die Antworten einfach:
Natürlich geht das Passivhaus einen ordentlichen Schritt weiter in Richtung auf erhöhte Effizienz. Bis vor Kurzem waren die meisten Menschen noch nicht wirklich überzeugt, dass ein „so großer“ Schritt überhaupt notwendig ist.
Natürlich bedarf es Mut, um bei einer Entscheidung, die jede Baufamilie nur einmal in ihrem Leben trifft, einen als neu empfundenen Standard zu wählen. Insbesondere dann, wenn man nach wie vor mit Halb- und Unwahrheiten konfrontiert wird: z.B. mit dem hartnäckigen Gerücht, dass man im Passivhaus das Fenster nicht öffnen dürfe – das durch die Praxis längst widerlegt ist.
Auch die bequemste innovative Lösung braucht immer noch mehr Mut zur Umsetzung als das strenge Festhalten an tradierten Formen. Selbst wenn die tradierten Formen sich längst als untauglich erwiesen haben.
Das Passivhaus ist kein von einem Großkonzern entwickeltes und auf den Markt geworfenes Produkt. Es ist vielmehr ein Konzept, das auf dem Engagement der gesamten Branche beruht. Bisher hat sich nur ein Teil der Branche dazu entschieden, dieses Engagement einzugehen – diese wenigen jedoch haben es in knapp einem Jahrzehnt geschafft, den Standard tausendfach praktisch umzusetzen und eine Diskussion auszulösen, die doch die gesamte Branche betrifft. —
Eine Literaturangabe findet man unter https://www.glaswelt.de/ > Service> Downloads
Der Autor
Prof. Dr. Wolfgang Feist (55) arbeitet an der Universität Innsbruck im Arbeitsbereich Bauphysik.
Feist lieferte entscheidende Beiträge zur Entwicklung des Niedrigenergiehauses in Europa – vor allem zur Entwicklung des Passivhausstandards. Unter seiner Ägide wurde das erste Passivhaus (Projekt Darmstadt Kranichstein) gebaut. Er ist Träger des Deutschen Umweltpreises und des internationalen Umweltpreises der Stadt Göteborg.