Auf dem Firmengelände der Siegenia-Aubi im Juli: GLASWELT-Chefredakteur Matthias Rehberger trifft im Technik-Zentrum Hans Öhman, Geschäftsführer der Comfort Window AB, seinen Vertriebsleiter Georg Ernst sowie Siegenia-Aubi-Konstruktionsleiter Christian Rosenthal, um ein neues Fenster aus Schweden zu begutachten, bei dem sich der Flügel um 180°und mehr drehen lässt.
Auf die Frage, warum man wieder ein Wendefenster auf den Markt bringen wolle, meinte Comfort-Geschäftsführer Öhman: „Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt: Die Energiepreise ziehen an, parallel dazu verschärft der Gesetzgeber zunehmend die energetischen Anforderungen an Fenster, und das beim winterlichen ebenso wie beim sommerlichen Wärmeschutz.“ Einen wichtigen Part spielten bei energieoptimierten Fenstern die Gläser, so Öhman weiter: „Heute werden zunehmend Sonnenschutzgläser eingesetzt, die zwar mit einer entsprechenden Beschichtung im Sommer den Einfall der Sonnenstrahlen blocken, im Winter die gewünschten solaren Gewinne aber stark einschränken.“ Und Vertriebsleiter Georg Ernst ergänzt: „Mit unserem System sind wir in der Lage, die Scheibe einfach zu drehen, so dass im Winter die Sonnenenergie optimal genutzt werden kann. Positiv ist auch, dass die Sonnenschutzschicht des Glases die Energie zurück in den Raum reflektiert.“
Tests mit Prototypen hätten gezeigt, dass Metall- und PVC-Fenster ihre Energiebilanz deutlich verbessern können. Für viele Anwendungen und Rahmenmaterialien lassen sich wärmetechnische Kennwerte verbessern, da die Energieeffizienz des Wendefensters deutlich besser ist als bei Systemen mit Standardgläsern.
Welche Aufgabe Siegenia-Aubi bei der Entwicklung spielt, erklärt Konstruktionsleiter Christian Rosenthal: „Unser Ziel am Markt ist die Innovationsführerschaft. Deshalb haben wir offene Augen, wenn es um neue Systeme geht. Auf der fensterbau/frontale 2008 kamen wir erstmals mit den Kollegen von Comfort Window ins Gespräch. Dabei wurde schnell deutlich, dass das Fenster bzw. die zugehörigen Beschläge gut zu unseren Entwicklungsaktivitäten passen. Nach genauer Prüfung des Systems und seiner Möglichkeiten waren wir uns schnell einig, als Partner das Projekt weiter voranzutreiben.“
So funktioniert das System
Das horizontal eingehängte Schwingflügelfenster lässt sich an der Ober- und Unterseite öffnen und um 180° drehen. Nach dieser Halbkreisdrehung steht der Beschlag wieder in Nullposition und der Flügel lässt sich aufs neue herumdrehen. So wird die Umstellung von „Sommer“- auf „Winter“-Fenster möglich und die äußeren Scheiben lassen sich bequem von innen reinigen. Es kann beim Aufschwingen an jeder beliebigen Stelle arretiert oder ganz gewendet und dann in umgekehrter Stellung verriegelt werden. Das Schließen und Verriegeln in umgekehrter Stellung erlauben zwei Spanjolet-Beschläge, die in den Flügelrahmen montiert sind und im Wechsel funktionieren. Die Einhängebeschläge für das Umschwingen des Flügelrahmens werden auf jeder Zargenseite montiert. Der Spanjoletstift des Flügelrahmens wird über eine Falle vom Griff auf der Zargenseite betätigt. Bringt man den Griff von der waagerechten Sperrstellung in eine der beiden senkrechten Stellungen, wird einer der beiden Spanjoletstifte des Flügelrahmenendes eingeführt, während der andere Stift weiter heraussteht und voll in die Nut eingreift. Das Fenster kann jetzt unten geöffnet und herumgeschwungen werden. Beim Drehen des Griffes aus der Sperrstellung in die andere Richtung kann das Fenster oben geöffnet und gedreht werden. Steht es offen, werden die Stifte verriegelt und greifen in die Nut.
Der Griff selbst verfügt über drei Drehstellungen: Die waagerechte Stellung schließt/verriegelt mit einer Automatiksperre, die beiden senkrechten Stellungen dienen zum Öffnen nach oben bzw. nach unten. Ist das Fenster in Schließstellung, wird der Griff in die Waagerechte gedreht. Es erfolgt eine Kompression des Flügelrahmens gegen die Dichtungsleisten, die Griffsperre rastet ein, das Fenster ist geschlossen/verriegelt.
Fünf Punkte für die Sicherheit
Auch in Sachen Sicherheit punktet das neue System: Der Flügelrahmen ist in verriegelter Stellung an fünf Stellen an der Zarge fixiert: vier Spanjoletstifte und eine Falle. Die Stifte,, greifen beidseitig ca. 15 mm in das Aluprofil der Zargenseite, und die Falle ca. 15 mm in den Seitenbeschlag.
Bei verriegeltem Griff (optional mit Zylinderschloß) wird die automatische Griffsperre aktiviert – eine Sicherheitsvorkehrung, die ein Drehen des Griffes von außen unmöglich macht.
Wenn das Fenster geöffnet ist, sind die Stifte, die in das Profil der Zargenseite eingreifen, in ihrer vorspringenden Lage gesperrt (ca. 19 mm) und können nicht vom Griff aktiviert werden. Dadurch wird für einen reibungslosen Ablauf und Vorbeugung vor sogenannter Querneigung bei der Bedienung des Fensters gesorgt.
Das Fenster lässt sich in geschlossener/verriegelter Stellung nicht öffnen, bevor die Stellung für Ober- oder Unterseitenöffnung erreicht ist, d.h. der Griff steht senkrecht nach oben oder unten.
Eine Kindersicherung und eine feste Nachtlüftstellung lassen sich nachrüsten.
Vielversprechende Potenziale
Derzeit ist Öhman im Gespräch mit weiteren starken Partnern – so z.B. Glas- und Profilspezialisten. Christian Rosenthal von Siegenia-Aubi sieht gute Vermarktungsmöglichkeiten für das Wendefenster: „Steigende Energiepreise und die geplante Novellierung der EnEV 2009 machen ein Umdenken erforderlich. Die Nachfrage nach umweltschonenden und betriebskostensenkenden Lösungen wird mittelfristig spürbar steigen. Das gilt im privaten Wohnungsbau ebenso wie im Objektgeschäft. Mit Blick in die Zukunft greifen wir diesen Trend als Partner von Comfort Window frühzeitig auf und sind vom wirtschaftlichen Potenzial des Wendefensters überzeugt.—
Matthias Rehberger
Technische Werte
Zu U-Wert, G-Wert und weiteren technischen Details hat Comfort Window eine Testserie des Fensters mit verschiedenen Gläsern (2-fach- und 3-fach-ISO) von Professor Björn Karlsson, Universität Lund, durchführen lassen. U.a. folgende Werte wurden dabei ermittelt: Die berechneten Energieeinsparungen ergaben 80 + 60 kWh x 10 = 1400 kWh pro Jahr Ersparnis, allein durch das 2-malige Umdrehen des Fensters in einem 100 m2 großen Haus mit 10 m2 Fensterfläche.
Auf https://www.glaswelt.de/ findet man unter Webcode Nr. 672 ausführlichere Werte mit verschiedenen Gläsern und unter Nr. 673 den Versuchsaufbau von Professor Björn Karlsson, Universität Lund. Einfach den jeweiligen Code rechts oben im Suchfeld Webcode eingeben.