_ Der elektronische „Butler“ fragt mich nach meinen Wünschen und ich entscheide mich für das Szenario „Provence“. Beim Eintritt in den Wohnraum ist auf dem großen Panoramafenster bereits meine Lieblingsszene mit großem Lavendelfeld – gerahmt durch blühende Ginstersträucher und die Ausläufer der Seealpen – erschienen. Dabei habe ich ein gutes Gewissen, denn ich weiß, dass dieser Komfort in meinem EnergiePlus-Haus klimaneutral und nachhaltig ist. Mein Grundbedürfnis nach einem gesunden angenehmen Wohnklima, nach Sicherheit und Komfort in den eigenen vier Wänden wird durch intelligente Fenster, Verschattungs- und Lüftungselemente nahezu ohne zusätzlichen Energieeinsatz ermöglicht. So kann die Photovoltaikanlage auf dem Dach und in der Fassade die nötige Energie für die Haustechnik und mein E-Mobil erzeugen. Aber auch das gute alte Türschloss inklusive Schlüssel und der versteckte Schalter am Eingang sind mir wichtig, denn damit kann ich die ganze Technik abschalten und selbstbestimmt und manchmal auch unvernünftig Fenster, Türen und Jalousien mit den guten alten Handgriffen bedienen.
So oder ähnlich kann das Szenario 2025 in einem modernen EnergiePlus-Haus aussehen, wenn die heutigen technischen Möglichkeiten weiterentwickelt und genutzt werden. In puncto Wärmeschutz und passiver Solarenergiegewinnung erzielen bereits heutige Fenster mit Dreifachverglasungen auf der Ost-, Süd- und Westseite erhebliche Energiegewinne, die mittels moderner Phase-Change-Materialien (PCM) auch im Raum gespeichert werden können.
Wenn das Haus ausreichend erwärmt ist, schieben sich Photovoltaikmodule vor die Fenster, um die Sonnenenergie in Strom zu verwandeln und gleichzeitig den Raum zu verschatten. In den kalten Nachtstunden können diese Module zur Verbesserung der Wärmedämmung genutzt werden. Auf der Nordseite kommen hochwärmedämmende Vakuumverglasungen zum Einsatz, die so gut dämmen wie heutige Wände aus Ziegelsteinen.
2025 bestehen die Hauswände aber wohl eher aus Vakuum-Dämmpaneelen, die nur wenige Zentimeter dick sind und bei gleichen Außenabmessungen mehr Wohnfläche bieten. Die Außenseite der Paneele ist dann mit Photovoltaikmodulen in Dünnschicht-Technik oder mit organischen Folien mit photoelektrischer Schicht bekleidet. Auf dem Dach sind hocheffiziente PV-Module installiert, die einen Wirkungsgrad von über 40 Prozent haben, sodass das Haus deutlich mehr Energie produziert als es verbraucht.
Die Stromleitungen und Sensoren in den vorgefertigten Wänden dienen dann auch der elektromotorischen Bewegung und Steuerung von Fenstern, Türen und Sonnenschutzelementen. Um Architekten und Bauherren die Auswahl von energieeffizienten Fenstern zu erleichtern, hat das ift Rosenheim die App FensterCheck und ein Energylabel für Fenster entwickelt, das den Energieverbrauch im Heizfall (Winter) und Kühlfall (Sommer) sowie die Tageslichtversorgung mit den bekannten Farbbalken und einer Einteilung von A+ bis F bewertet.
Kaufentscheidung Sicherheit
Die Energieeinsparung ist zwar für ein nachhaltiges Wirtschaften absolut notwendig, aber persönliche Kaufentscheidungen werden auch von Emotionen beeinflusst. Für das eigene Haus heißt dies mehr Sicherheit, Komfort, Gesundheit und Image. Sicherheit bei Fenstern wird durch geeignete Beschläge und Verglasungen erreicht. Automatische Schließsysteme machen eine Haus-Zentralverriegelung möglich, und Sensoren in Fenstern, Türen und Glas senden bei Beschädigung oder Einbruch eine Nachricht auf das Smartphone und zur Polizeiwache.
Sensorik und Elektronik bieten auch ein deutliches Plus für die Gesundheit, indem die Lüftung in Abhängigkeit von der Luftqualität geregelt wird. Die Fenster öffnen sich selbstständig und schließen, wenn die Sollwerte für Luftfeuchte und CO2-Gehalt erreicht sind. So gehören Tauwasser und schlechte Luft der Vergangenheit an – ganz ohne Ventilatoren und zentrale Lüftungsanlagen. Im Sommer können die Fenster so auch zur Nachtkühlung genutzt werden, ohne dass man bei einem Gewitter aufstehen muss, weil der Regensensor im Fenster eine automatische Schließung veranlasst.
Auch der Komfort wird durch automatische Fenster und Türen gesteigert – insbesondere für ältere Personen oder Menschen mit Handicap. Das Öffnen und Schließen via intuitiver und einfacher Bedienung per Smartphone wird zur Selbstverständlichkeit und erfüllt so das menschliche Bedürfnis, das eigene Wohnumfeld individuell und selbstständig zu beeinflussen. Durch neue Werkstoffe und Beschichtungen wird in Zukunft auch die Wartung und Reinigung einfacher, sodass Fensterputzen und Beschläge ölen der Vergangenheit angehören.
Auch das visuelle Wohlbefinden lässt sich mit innovativen Gläsern verbessern. Zukünftige Glasflächen werden als Medienfassade genutzt, die wie ein LED-Bildschirm funktioniert. Kleine, kaum sichtbare LED-Elemente machen das Glas zu einem Bildschirm, auf den sich Landschaften und bewegte Bilder zaubern lassen. Elektrochrome Verglasungen passen sich schon heute dem Außenklima und den Bedürfnissen der Nutzer an und lassen sich bei Bedarf verdunkeln.
Der Mensch bestimmt die Technik – nicht umgekehrt
Insbesondere bei Büro- und Verwaltungsgebäuden werden die Betriebskosten immer wichtiger. Bedeutsam sind vor allem die Kostenreduzierungen für Reinigung, Klimatisierung und Kunstlicht durch optimale Tageslichtnutzung. Der größte Kostenblock sind aber meistens die Personalkosten für die Mitarbeiter. Hier spielen dann Faktoren wie Krankheitsrate und Mitarbeiterzufriedenheit eine entscheidende Rolle, welche auch durch das Raumklima beeinflusst werden. Viele Negativbeispiele zeigen eines ganz deutlich: Die Technik muss jederzeit vom Mitarbeiter manuell beeinflussbar bleiben, denn kein Mensch möchte von der Technik bestimmt werden.
Je besser und unauffälliger aber die Steuersysteme für gute Luft, angenehme Temperaturen und ausreichendes Tageslicht sorgen, desto eher werden die Systeme akzeptiert. Nach Büroschluss oder bei Abwesenheit der Mitarbeiter darf dann die Technik gerne die Regie übernehmen und beispielsweise den Sonnenschutz so steuern, dass eine Überhitzung der Räume durch die Sonne verhindert wird.
„Plug & Play“ an der Fassade
Die Technologien für zukünftige Fenster und Fassaden sind im Grundsatz bereits heute vorhanden, funktionieren aber nur, wenn alle technischen Komponenten und die Montage der mechanischen und elektronischen Bauteile aus einer Hand kommen. Ansonsten endet der Versuch meistens im Wirrwarr von Schnittstellen und unterschiedlichen Verantwortlichkeiten. Da die Fenster-, Fassaden und Baubranche eher mittelständisch strukturiert ist, und große Zubehörhersteller wie in der Automobilindustrie fehlen, gibt es bislang nur einige wenige Systemanbieter für diese Technik.
Bis das Prinzip „Plug & Play“ auch beim Gebäude Wirklichkeit wird, ist es noch ein steiniger Weg. Eine Grundlage für die weitere Entwicklung bietet das vom ift durchgeführte Forschungsprojekt und die ift-Richtlinie EL-01/1 „Elektronik in Fenstern, Türen und Fassaden“, in dem Empfehlungen für die notwendigen Schnittstellen und Konstruktionen erarbeitet wurden, die bis zur einheitlichen Farbcodierung der unterschiedlichen Elektrokabel reichen. Wir arbeiten gemeinsam mit Architekten, Bauherren und Unternehmen für die Realisierung des Szenarios Fenster 2025. —
Das ift auf der fensterbau/frontale 2014
Die Sonderschau „lebendig forschen – besser leben“ zeigt auf der Messe in Nürnberg (23. bis 26.3.2014) in Halle 1 aktuelle Forschungsergebnisse und Trends – und wie man Fördermittel für seine Entwicklungsprojekte erhält. Veranstalter sind die NürnbergMesse, das ift, das Bundesbauministerium (BMVBS) mit der Forschungsinitiative Zukunft Bau sowie der Fachverband Glas, Fenster, Fassade Baden-Württemberg (GFF). Von Mittwoch bis Freitag werden zudem F&E-Projekte und Technologien in Kurzvorträgen präsentiert. Als Schwerpunkte für die Forschung der nächsten Jahre bleibt an erster Stelle die weitere Verbesserung der Energieeffizienz, die sich aber mehr und mehr zur Nutzung regenerativer Energien und einem intelligenten Energiemanagement mit neuen Speichertechnologien verlagert.
Weitere Forschungsschwerpunkte, die dort gezeigt werden sollen, sind ökologische Bewertungen, Barrierefreiheit, geringe Bedienkräfte und Automatisierung. Dazu gilt es, praktische Probleme in Bezug auf Verarbeitung, Montage und Gebrauchstauglichkeit zu lösen, aktuell beispielsweise die Gewichtsreduzierung von Isolierglas und Montagelösungen für schwere und großformatige Bauelemente.
Die Sonderschau soll ein Marktplatz der Ideen sein, zu dem alle Erfinder, Tüftler, Ingenieure und Praktiker zum Austausch eingeladen sind. Firmen und Institutionen, die ihre Ideen und Produkte auf der Sonderschau präsentieren wollen, können sich bewerben unter:
Die Autoren
Jürgen Benitz-Wildenburg leitet im ift den Bereich PR & Marketingkommunikation. Als Holzbauingenieur und Marketingexperte ist er seit 20 Jahren in der Holz- und Fensterbranche in verschiedenen Funktionen tätig.