_ Die Ganzglasfassade ist ein Beispiel dafür, dass auch in Zeiten der EnEV das Ideal der gläsernen Hülle für Hochhäuser umsetzbar ist. Die Fassade wurde von der priedemann fassadenberatung in Kooperation mit dem Fraunhofer Institut für Bauphysik mitentwickelt. Die Fassadenberater aus Berlin schufen für das 16-geschossige Festo-Hochhaus eine komplett transparente Gebäudehülle als Kombination aus Abluftfassade und dimmbaren elektrochromen Gläsern. Bauherr Festo (www.festo.de), ein weltweit fuhrendes Unternehmen in der Automatisierungstechnik sowie für Handmaschinen und Weltmarktfuhrer der technischen Aus- und Weiterbildung, hat im neuen Bürogebäude nun Raum für 400 Arbeitsplätze.
Das AutomationCenter genannte Hochhaus sollte dabei den eigenen Innovationsanspruch vermitteln und sowohl technisch als auch architektonisch als Landmarke fungieren.
Zum interdisziplinären Planungsteam um das Architekturbüro Jaschek und die Festo Bauabteilung zählten die priedemann fassadenberatung, deren Forschungsabteilung Facade-Lab, die Statiker Schlaich Bergermann und Partner sowie die TGA-Planer Pfeil & Koch.
Der Aufgabenstellung folgend plante dieses Team einen 67 m hohen, vollständig verglasten Verwaltungsbau auf rautenförmigem Grundriss als ersten Baustein eines neuen Firmencampus.Die gestalterische Entscheidung für einen kristallin wirkenden Körper legte nahe, dass weder opake Fassadenflächen noch ein außen liegender Sonnenschutz akzeptiert werden würden. Eine Ganzglasfassade für ein energieeffizientes Gebäude schien unter Berücksichtigung der EnEV jedoch nicht erreichbar.
Nur mittels eines intelligenten Gesamtsystems war der Spagat zwischen EnEV-Konformität und nutzerfreundlicher Ganzglasfassade möglich.
So funktioniert die clevere Lüftung
Basierend auf der Idee der Abluftfassade, die u.a. bereits bei den „Treptowers“ in Berlin von der priedemann fassadenberatung erfolgreich umgesetzt worden war, entwickelten die Fassadenplaner gemeinsam mit dem Hersteller Warema ein neues Konzept eines Blendschutzes, der als vollwertiger Sonnenschutz wirkt: Ein ohnehin notwendiger innen liegender Screen mit SecuTex-Gewebe dient im Gesamtsystem als Trennschicht zum Innenraum. Es entsteht ein Abluftkanal, der zwischen Blendschutz-Screen und Verglasung liegt.
Über diesen Zwischenraum wird die Abluft der Büros geführt, die im Sturzbereich eingesaugt wird. Im Zwischenraum wird an der Oberfläche des Screens die Sonneneinstrahlung aufgenommen und Wärmestrahlung durch den Luftstrom abgeführt.
Die zum Innenraum gerichtete Oberfläche des Screens weist dabei fast Raumtemperatur auf. Neben der beschriebenen Abluftfassade, die als Festverglasung ausgeführt ist, gibt es 70 cm schmale und 4 m hohe Parallel-Ausstell-Fenster, die mit einer elektrochromen Verglasung ausgestattet sind.
Sonnenschutz im Glas
Das dimmbare Glas lässt sich über die Gebäudeleittechnik stufenlos und automatisiert verdunkeln. Verbaut in 441 Parallelausstellfenstern ermöglicht es auch dann den ungehinderten Blick nach draußen, wenn der innen liegende Blendschutz-Screen aktiviert ist (Details hierzu finden Sie in GLASWELT 03/2016, Seite 194).
Entstanden ist eine ebenso witterungsunabhängige wie dynamisch anpassungsfähige Fassade, die in Tests sowie im bisherigen Einsatz eine Reduktion des Kühl-Energieverbrauchs um 10 – 30 Prozent gegenüber einer Standardimmobilie ausweist. Seit Inbetriebnahme des AutomationCenters im Juli 2015 erfüllt das Konzept ohne Nachjustierung alle Erwartungen.
Selbst bei Außenlufttemperaturen von über 40 °C wurden die Raumtemperaturen während der Bürozeiten konstant bei 26 °C gehalten, was nicht nur Kühlenergie spare, sondern auch das Wohlbefinden der Mitarbeiter sicherstelle.
In ihrer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung punktet die Fassade darüber hinaus durch eine maximale Flächennutzung.
Der konstruktive Glasbau der Gebäudehülle beträgt nur 75 mm. Hier hebt sich die Bauweise deutlich von zweischaligen Fassaden ab, so die Planer der Gebäudehülle. —