Die Notwendigkeit von Absturzsicherungen wird nach der Richtlinie ETAG 002 – Leitlinie für die Europäisch Technische Zulassung für geklebte Glaskonstruktionen – Teil 1 Gestützte und ungestützte Systeme, geregelt:
Um der Gefahr des Versagens entgegenzuwirken wird gefordert, dass Systeme der Typen I und II mit einer mechanischen Abstützung zur Aufnahme des Gewichtes der Verglasung auszustatten sind. Die Verklebung muss demnach dieses Gewicht nicht mehr tragen. Die Typen III und IV sehen dies nicht vor, die Klebung wird durch das Glasgewicht belastet.
Die Typen I und III sehen Haltevorrichtungen (Absturzsicherungen) vor, die das Abstürzen der Verglasung verhindern sollen, was bei den Typen II und IV nicht der Fall ist. Die Absturzsicherung muss so bemessen werden, dass das Glas bei Versagen der Klebung vorübergehend festgehalten wird und ein Herausfallen der Verglasung nicht vorkommen kann.
In der nationalen baurechtlichen Umsetzung in Österreich (Baustoffliste ÖE), wurden die Vorgaben zur Verwendbarkeit festgeschrieben. In der Ausgabe Januar 2007 heißt es zum Verwendungszweck von Fassadenelementen, dass nur die Verwendung der Typen I, III gemäß ETAG 002 zulässig ist, was bedeutet, dass alle Varianten eine Absturzsicherung besitzen müssen. Die Verwendung der Typen II und IV ohne Absturzsicherung kann nur in Ausnahmefällen durch Bewilligung der Behörde erfolgen.
Das deutsche Baurecht gibt gemäß Bauregelliste B eine andere Linie vor. Es ist die Verwendung von Typ I und II erlaubt. Bei Einbauhöhen bis 8 m muss mindestens eine mechanische Übertragung des Eigengewichtes (Abstützung) gewährleistet sein. Über 8 m Einbauhöhe wird zusätzlich eine Absturzsicherung vorgeschrieben (Typ III).
Das Fenster im Fokus
Für geklebte oder mechanische Glasverbund-Fensterkonstruktionen gibt es keine Regelungen, diese könnten jedoch in Anlehnung an die ETAG 002 abgeleitet werden.
Grundsätzlich ist zu unterscheiden ob ein Verglasungssystem bei Fenstern vom Gebäude abstürzen kann oder nicht. Beispielsweise kann die Absturzgefahr bei nach außen aufgehenden Fenstern gegeben sein, wodurch die Forderung nach einer Absturzsicherung gerechtfertigt ist.
Bei den heute üblichen nach innen aufgehenden Fenstern wird jedoch die Glasscheibe konstruktionsbedingt oft durch den Stock überdeckt oder auch teilweise von vorgesetzten Aluminium-Profilen gehalten. Ein Herausfallen des Fensterglases nach außen ist damit nicht möglich. Im Fall des Versagens der Klebung würde die Scheibe beim Öffnen des Fensters nach innen fallen. Auch in diesem Fall könnte Verletzungsgefahr für den Nutzer gegeben sein, wenn es zu einem Spontanversagen der Klebung kommen würde. Die Erfahrung mit solchen Systemen zeigt aber, dass ein spontaner Bruch und das Herausfallen der Verglasung nicht vorkommt. Dies wird auch durch Prüf- und Forschungsergebnisse unterstützt, es kommt immer zuerst zu örtlich begrenzten Klebestörungen und im Zuge dessen zu Beeinträchtigungen im normalen Gebrauch der Fenster, z.B. erschwerte Bedienbarkeit. Damit wird der Schaden frühzeitig erkannt und eine entsprechende Sanierungsmaßnahme eingeleitet.
Allgemein ließe sich folgende Forderung aufstellen: „Wenn das Verglasungssystem von Fenstern mindestens 2-seitig durch den Fensterstock oder ähnlichen Konstruktionsmaßnahmen auch nach Versagen des Befestigungssystems (z.B. Klebung) überdeckt wird, ist eine Absturzsicherung nicht erforderlich“.
Damit wäre sichergestellt, dass ein Abstürzen der Verglasung zuverlässig verhindert wird und auch im schlimmsten unwahrscheinlichen Fall bei einem völligen Versagen der Klebung, im Fenster gehalten wird. Lediglich beim Öffnen der Fenster bleibt ein äußerst geringes Restrisiko des Herausfallens der Verglasung in den Raum.
Da derartige Fensterausführungen heute keine Sonderkonstruktionen mehr darstellen, wird eine klare Regelung in Normen und/oder im Baurecht diskutiert.|
Autor
Thomas Anderl ist Holzwirtschaftsingenieur und seit 1997 Mitarbeiter der Holzforschung Austria, Leiter des Arbeitsbereichs Fenster, Türen und Fußböden (Leitung und Mitarbeit an Forschungsprojekten, Gebrauchstauglichkeits- und Eignungsnachweise, Gutachtertätigkeit, Mitarbeit in Normungsgremien).