Glaswelt – Welche Trends erwarten die Verarbeiter aus der Fassadenbranche zur BAU 2015?
Max Radt – Glasfassaden bleiben weiter im Trend und werden sehr individuell für jedes Bauvorhaben an die Erfordernisse angepasst. Gleichzeitig wächst der Kostendruck auf Seiten der Bauherren und Investoren. Es sind Systeme gefragt, die kostengünstig und schnell hergestellt werden können, ohne architektonische Kompromisse eingehen zu müssen. Die Betrachtung der Gesamtkosten der Fassade über ihren Lebenszyklus, insbesondere die Reinigungs- und Wartungskosten, rücken dabei ebenfalls immer stärker in den Fokus. Systeme wie die Closed Cavity Fassade etablieren sich aus diesem Grund, da sie Antworten geben auf die Anforderungen nach bestmöglicher Energieeffizienz und wirtschaftlichem Unterhalt der Fassade.
Glaswelt – Was für eine Bedeutung messen Sie in Zukunft dem Sonnenschutz bei?
Radt – Viele Lösungen für aktuelle Fassaden entstehen aus den Überlegungen zum Sonnenschutz: außen oder innen montiert, geschützt vor Wind und Schmutz, automatisiert oder manuell etc. Für Glasfassaden ist der Sonnenschutz das zentrale Thema. Der einfache Raffstore stellt dabei nur eine Grundvariante dar.
Glaswelt – Wäre es nicht ausreichend, nur hochwertige Sonnenschutzverglasungen oder schaltbare Gläser einzusetzen?
Radt – Die Lösungen zum Sonnenschutz sind vielschichtig und in der Regel wird es auf eine intelligente Kombination aus den vorhandenen Technologien bezogen auf die jeweilige Objektanforderung ankommen. Dabei eröffnen schaltbare Gläser sicher neue Möglichkeiten, auch in Kombination mit Lamellen. Dies gilt ganz besonders dann, wenn sommerlicher Wärmeschutz und visueller Komfort im Innenraum in Einklang gebracht werden sollen.
Glaswelt – Welche Rolle wird künftig die Vernetzung der einzelnen Bauelemente in der Fassade mit der Haustechnik spielen?
Radt – Die Trennung von Gebäudehülle und Haustechnik, wie sie derzeit praktiziert wird, muss sich grundlegend ändern, da sonst die Anforderungen an die Gebäude in puncto Energie und Komfort nicht erreicht werden können. Die Verknüpfung der Funktionalitäten der Fassade und die intelligente Vernetzung mit den Systemen der Haustechnik sind der Schlüssel zu diesen Fragen. Die Gebäudehülle spielt dabei die entscheidende Rolle, da über sie das Klima in einem Gebäude vorbestimmt wird. Im Idealfall wird die konventionelle Haustechnik dadurch weitgehend überflüssig, sollte sich aber Ansätzen hin zu innovativen ganzheitlichen TGA-Konzepten offen zeigen.
Glaswelt – Aber wie geht dann der „normale Metallbauer“ mit einer zunehmenden Gebäude-Vernetzung um? Wer programmiert die Steuerung?
Radt – Genau diese Schnittstellen gilt es zu lösen und hier scheitern viele technische Lösungsansätze. Der „normale Metallbauer“ wird dies nicht leisten können. Es ist auf allen Seiten ein Umdenken erforderlich. Die Rolle von sogenannten Systemintegratoren wird zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Glaswelt – Stichwort Energiegewinnung in der Fassade: Wann wird es nur noch Fassadenkraftwerke geben, sprich sind „herkömmliche“ Fassaden in Zukunft ein Auslaufmodell?
Radt – Herkömmliche Fassaden wird es auch weiterhin geben. Nicht alle Fassadenflächen eignen sich für eine Energiegewinnung. Man wird in Zukunft sicherlich sehr unterschiedliche Ausprägungen der Fassaden je nach Ausrichtung, nach klimatischen Bedingungen und den Anforderungen im Gebäude sehen.
Glaswelt – Glauben Sie, dass bei Fassaden der Passivhausstandard bald eine entscheidende Rolle spielen wird?
Radt – Der Passivhausstandard ist als Instrument zur Gebäudebetrachtung und -analyse im Wesentlichen auf den Wärmeschutz ausgerichtet. Die Fassade hat viel mehr zu leisten, als lediglich vor Kälte und Wärme zu schützen. Aus diesem Grund glaube ich, dass der Passivhausstandard zum Teil zur Anwendung kommen wird, da die gesetzlichen Anforderungen in Deutschland vor allen Dingen hierauf ausgerichtet sind und der Passivhausstandard klare Vorgaben macht. Die Fassaden haben allerdings wesentlich weitergehende Möglichkeiten, die allein mit dem Begriff Passivhaus nicht abgedeckt werden können und die zum Teil konträr sind. Ich würde lieber in Zukunft von den „Aktiven Fassaden“ sprechen.
Glaswelt – Wie sieht es dabei mit den Mehrkosten von solchen „Aktiven Fassaden“ aus?
Radt – Der entscheidende Faktor bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit ist der Zeithorizont, vor dem man diese betrachtet. Sobald man längere Zeiträume in Betrachtung zieht und die Investitionen den Einsparungen und Verbesserungen, die dadurch erreicht werden gegenüberstellt, wird man schnell feststellen, wie sich intelligente Fassadenkonzepte finanziell rechnen. Die Bilanzgrenze sollte dabei neben der Energieeinsparung auch andere Aspekte einer Lebenszykluskostenbetrachtung, wie Unterhalt, Wartung, Erneuerung etc., beinhalten.
Glaswelt – Und welche Qualifikationen brauchen Fassadenbauer, um „aktive“ bzw. passivhaustaugliche Fassaden zu erstellen?
Radt – Der Fassadenbauer braucht hierzu zunächst ein gutes System, das die Anforderungen erfüllt. Entscheidend ist, dass diese Systeme aufgrund der hohen Anteile an Kunst- und Dämmstoffen, einfach und sicher zu verarbeiten sind. Probleme, wie z. B. Staubentwicklung durch das Zuschneiden der Profile, müssen bewältigt werden; ein passgenaues Arbeiten muss weiterhin wie gewohnt möglich sein. Darüber hinaus liegen die Schwierigkeiten oft in der Ausführung der Bauanschlüsse und in der gesamten Qualität der Montage. Antworten bieten wir mit unserem Wicona Seminarprogramm an. Dort erhalten Kunden praktisches und theoretisches Know-how vermittelt, um echte Qualitätsarbeit abliefern zu können.
Glaswelt – Die klassische Glas-Metallfassade ist silberfarben. Werden Gebäudehüllen künftig farbenfroher werden? Und wenn ja, welche Farben liegen im Trend?
Radt – Der Farbigkeit der Fassaden und den Möglichkeiten für die Gestaltung auf Seiten der Architekten sind fast keine Grenzen gesetzt. Nach wie vor sind die silberfarbigen Fassaden klar in der Mehrzahl. In der letzten Zeit sehen wir das Goldeloxal wieder aufleben, auch weil aus der Zeit der 1960er- und 1970er-Jahre derzeit viele Gebäude saniert werden, jedoch auch in einigen neuen Gebäuden ist heute Gold gefragt. Schwarz mit hohem Glanzgrad ist ebenfalls ein Trend, den wir bei Projekten sehen können sowie die Zweifarbigkeit (innen/außen).
Glaswelt – Wie rücken Fassadengläser und Sonnenschutz aufgrund der angepassten EU-Normen näher zusammen (z. B. Stichwort Gesamtenergiedurchlassgrad der Verglasung g total)?
Radt – Die den konkreten Umgebungsbedingungen des Gebäudes angepasste Kombination aus Gläsern und Sonnenschutz wird in Zukunft entscheidend sein. Hierfür ist nicht die Normierung der einzelnen Baustoffe oder der Bauteile, sondern die Fassade als Ganzes zu sehen.—
Die Fragen stellte Matthias Rehberger.
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