_ Heizen, Kühlen und Beschatten mit nur einem Bauelement, so die Idee der Forscher. Im Rahmen des Forschungsprojekts Fluidglass wird dazu das Konzept eines multifunktionalen, solarthermischen Glasfassadensystems entwickelt. Ein Spezialglas soll passive Glasfassaden in aktive, transparente Sonnenkollektoren verwandeln: Es reguliert dabei mittels Flüssigkeiten den Energiefluss in der Fassade, um die Effizienz des Gebäudes zu optimieren.
„Mit Fluidglass kommen wir der Idee einer adaptiven Fassade recht nahe, so Professor Dietrich Schwarz, der Kopf hinter dem Fassadensystem, vom Institut für Architektur und Raumentwicklung an der Universität Liechtenstein.
Das System basiert auf einer sehr guten Isolierglaseinheit. Auf diese wird wiederum eine zusätzliche äußere und eine raumseitige Glasschicht aufgebracht, die beide unabhängig voneinander mit einem Fluid befahren werden können. Nach Auskunft der Forscher lassen sich damit vier Schlüsselfunktionen in einem integralen System vereinen: Das (Glasverbund-)System ist ein komplett transparenter Sonnenkollektor, der die Gewinnung von Solarenergie bei Gebäuden (auch mit großen Glasflächen) ermöglicht. Zweitens wirke es als transparente Isolationsschicht, und drittens reguliert es die Transmission der Sonnenstrahlung sowie viertens die Oberflächentemperatur auf der Innenseite des Glases. Damit lasse sich der thermische Komfort im Raum erhöhen und gleichzeitig der Bedarf an Heizen, Kühlen und Beleuchten reduzieren. Dabei soll das System zudem konventionelle Heiz- und Kühlelemente ersetzen.
Zudem hebt sich die transparente Glaseinheit aus Klarglas durch ihr neutrales Äußeres optisch von bestehenden Solarthermielösungen ab.
Bei Gebäudesanierungen kann man unter Einsatz von Fluidglass nach Aussage der Entwickler eine Energieeinsparung von 50 bis 70 Prozent erwarten, und sie rechnen mit 20 bis 30 Prozent bei neuen Niedrigenergiehäusern.
Das Funktionsprinzip der Scheibe
Die Basis der Funktionseinheit bilden zwei flüssigkeitsdurchströmte Scheibenzwischenräume (SZR) – einer raumseitig, einer zu Fassadenseite hin – , die eine Isolierglasscheibe umschließen, wie in der Grafik unten dargestellt.
Als Sonnenschutz werden Mikropartikel gezielt der äußeren Glasschicht zugegeben, wodurch im Sommer die solare Einstrahlung absorbiert und der Kühlbedarf im Innenraum deutlich gesenkt werden kann. Die Menge der Partikel lässt sich bedarfsgerecht einstellen.
Auf der sonnenabgewandten Seite wird hingegen die Verschattung ausgeschaltet, wodurch das natürliche Tageslicht tief in den Raum eindringen kann. Gleichzeitig zirkuliert gekühltes Wasser in der raumseitigen Schicht, die dadurch zur Kühlfläche wird.
Über einen Partikelseparator lassen sich die Mikropartikel aus der Flüssigkeit der äußeren Schicht je nach Bedarf wieder herausfiltern. So lässt sich nach Auskunft der Forscher rasch auf Veränderungen der Einstrahlung reagieren. Die überschüssige Wärme wird aus den Flüssigkeiten der beiden Scheibenzwischenräume mit einem Wärmeübertrager anderen Prozessen im Gebäude zugeführt. Die Wärme lasse sich so mit der zirkulierenden Flüssigkeit in der Übergangszeit gezielt und effizient weiterleiten. Im Winter sorgt die transparente Fassadeneinheit für eine maximale Nutzung der Sonnenenergie. In dieser Zeit wird warmes Wasser durch den raumseitigen SZR geschickt und der Innenraum wird dann über die Fassade beheizt. Das Glas soll so den klassischen Heizkörper ersetzen.
An der Entwicklung von Fluidglass beteiligt sind neben Firmen wie dem Fassadenhersteller Alcoa-Kawneer und dem Glasspezialisten Mayer Glastechnik MGT auch die TU München, die Uni Stuttgart u. a. Zudem wird das Projekt durch die EU gefördert, um den Prototyp marktfähig zu machen. —
https://www.uni.li/de/thema/architektur/intellegente-fassade/fluid-glass