Fassaden werden sowohl ästhetisch als auch technisch immer anspruchsvoller. In der Zukunft werden unsere Gebäude „Green Buildings“ im ganzheitlichen Sinne darstellen und man wird kreatives, architektonisches Design mit den technischen Anforderungen an eine multi-funktionale Fassade vereinen. Integrierte Systemlösungen werden Fassaden nicht nur energieeffizienter machen, sondern sogar die Energiegewinnung ermöglichen und gleichzeitig dem gesteigerten Schutzbedürfnis der Nutzer gerecht werden. In diesem Zusammenhang werden auch Themen wie Langlebigkeit und Recyclingfähigkeit immer wichtiger.
Großzügige Fenster und Glasflächen in der Fassade bleiben weiter im Trend und sind dabei prägend für eine Wohn- und Arbeitskultur bei der offene und von natürlichem Tageslicht durchflutete Räume ein freies Lebensgefühl vermitteln.
Gleichzeitig steigen bei Fassaden aber auch die Anforderungen an die Sicherheit, bedingt durch heftigere Umwelteinflüsse bzw. -katastrophen sowie Gefahren durch Bombenattentate, die die Forderungen nach explosionsschützenden Fassaden verstärken. Insbesondere der Bau immer höherer Gebäude, wie z.B. dem Burj Dubai (160 Etagen), stellt hohe Ansprüche an Architekten und Planer.
Die Structural Silicone Glazing (SSG) Technologie unterstützt die genannten Zukunfttrends in der Fassadentechnologie. Die Vorteile der SSG-Technologie bezüglich der architektonischen Kreativität sind seit langem bekannt. Weiter stellt die SSG-Technolgie z.B. aufgrund der Langzeitstabilität von Silikon und Glas eine extrem langlebige Technologie dar. Aufgrund der Konzeptionierungsdetails bietet SSG zudem große Vorteile bezüglich der Energieeffizenz einer Fassade.
Wie lassen sich nun die auf den ersten Blick widersprüchlichen Anforderungen nach dauerhaft sicheren und explosionsschützenden Fassaden unter gesteigerter Verwendung des Werkstoffes Glas vereinbaren? Die Structural Glazing Technologie, die Ende der siebziger Jahre eingeführt wurde, hat den Fassadenmarkt durch die Kombination von Dichtungs- und Statikfunktionen mit einem einzigen Material revolutioniert und wurde inzwischen permanent verbessert. Praxiserfahrungen, bestätigt durch Laboruntersuchungen und Mock-Up Tests, zeigen, dass die Structural Glazing Technologie eine explosionsschützende Verglasung mit Verbundsicherheitsgläsern ermöglicht. Gleichzeitig bietet die Verwendung der Structural Glazing Technologie automatisch eine thermische Trennung zwischen der außen liegenden Glaseinheit und dem innen liegenden Metallrahmen und unterstützt somit den Trend des energiesparenden Bauens.
Structural Glazing Varianten
Bei der SSG Technologie handelt es sich um eine Methode, Glas, Keramik, Metall oder Verbundplatten mittels Adhäsionskraft, Bewegungsfähigkeit und Beständigkeit eines Structural Glazing Silikondichtstoffs an die Unterkonstruktion einer Gebäudefassade zu befestigen (verkleben). Speziell konzipierte Silikondichtstoffe werden verwendet, um das Gebäude sowohl gegen Witterungseinflüsse abzudichten als auch die Elemente an der Unterkonstruktion zu befestigen.
Hierbei muss man betonen, dass die Structural Glazing Technologie eine Hochleistungstechnologie ist und nicht alle Silikondichtstoffe für eine solche Anwendung geeignet sind. Es sollten ausschließlich Silikondichtstoffe verwendet werden, die speziell für Structural Glazing entwickelt und getestet wurden. Dow Corning hat eine Reihe von Produkten entwickelt, die Architekten die Möglichkeit bieten, das kreative Potenzial des beim Bau verwendeten Glases unter Beweis zu stellen.
Aufgrund der permanent ansteigenden Energiepreise, gewinnen energiesparende Bauweisen zunehmend an Bedeutung. Typische SG-Silikone haben eine niedrige Wärmeleitfähigkeit im Bereich von 0.25–0.30 W/(m²K). Die Verklebung der Isolierglaseinheit von außen in die Fassade eliminiert die technische Notwendigkeit Metall in den Außenbereich der Fassade zu bringen und vermeidet so Wärmebrücken. Die umlaufende Structural Glazing Verklebung verhindert zudem sehr effektiv das Eindringen von Außenluft und Feuchtigkeit. Dies verbessert in Summe die Isolationswirkung der Fassade (niedrigerer U-Wert) und verbessert das Raumklima (Vermeidung von Kondensat und Schimmelbildung).
Smart konzeptionierte Isolierglaseinheiten mit Silikon-Sekundärversiegelung übertragen die dynamischen Verkehrslasten (u.a. Wind, Temperaturschwankung) auf die tragende Unterkonstruktion und erfüllen alle Anforderungen bzgl. der Isolierglaseinheit nach EN 1279 auch für edelgasgefüllte Isoliergläser.
Structural Silicone Glazing ist eine Fassaden-Technologie, die sich in der Praxis unter Extrembedingungen, d.h. Hitze, Kälte, Temperaturwechsel, Tornados mit hohen Peak-Windgeschwindigkeiten, Hochfeuchte, saurem Regen sowie in Erdbebenregionen seit über 35 Jahren als dauerhaft und standsicher bewährt hat. Neueste Praxiserfahrungen, die in der Theorie sowie durch gezielte Tests bestätigt wurden, belegen eindrucksvoll, dass die Structural Glazing Technologie mehr als nur den aktuellen Standards entspricht. SSG bietet die Chance sowohl die Anforderungen an die Funktionalität bzgl. des aktuellen Stands der Technik als auch die Herausforderungen der modernen Architektur zu erfüllen. Dabei lassen sich selbst explosionsschützende Fassaden aus Glas herstellen.
Mittels SSG eingebaute Isolierglaseinheiten aus Verbundsicherheitsglas können bei einer den Anforderungen entsprechend dimensionierten Verklebung und entsprechend dimensionierten VSG-Einheiten einen Explosionsschutz des Gebäudes erzielen. Diese Schutzwirkung wird vor allem durch das Viso-Elastische Verhalten der Silikonverklebung - auch bei hohen Impulslasten - realisierbar. Im Falle einer Explosion, muss die Verklebung so dimensioniert sein, dass die plötzliche und sehr energiereiche erste Druckwelle von der Silikonverklebung unbeschadet und ohne Haftungsverlust überstanden wird und auch die nachfolgenden, hochfrequenten Schwingungen über die Verklebung aufgenommen werden und keinen Haftungsverlust zur Folge haben. Solche Dimensionierungen erfordern sehr viel Know How, Erfahrung und eine enge Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Projektpartnern.
Die SSG-Technologie wird es zukünftig mehr denn je ermöglichen, die Architektur-Megatrends Energieeffizienz und Schutzanforderungen geschickt in der Fassade zu „verbinden“.|
I: Punktförmige Klebeverbindungen mittels Klebefolien
Beim Bau von Gebäudehüllen aus Glas bringt die weit verbreitete Forderung nach Transparenz und Leichtigkeit, sei sie visuell, gefühlt oder tatsächlich materiell, oft die Entscheidung für eine punktförmige Befestigung zwischen Metallhalter und Glaselementen mit sich. Dabei entscheidet die Art der Befestigung der Fassade am Tragwerk oft über die Wirtschaftlichkeit und den Materialaufwand. Auf der Suche nach einer zeitgemäßen, materialgerechten und einfach zu handhabenden Fügungsmöglichkeit für moderne Glasfassaden, werden am Institut für Leichtbau Entwurf und Konstruktion (ILEK) der Universität Stuttgart tragende geklebte Glas-Metall-Verbindungen am Beispiel von Glastafeln, Punkthaltern und doppelseitigen Klebefolien genauer untersucht. Dabei sollen sowohl die Verkehrslast als auch das Eigengewicht durch die Klebeverbindung an das Tragwerk weitergeleitet werden, ohne Klotzung oder andere mechanische Sicherungen.
Die bisher praktizierte Art der punktuellen Glasbefestigung durch Bohren des Glaselementes und dessen Verschraubung stammt aus der im Umgang gut bekannten, stahlbautypischen Fügungstechnik. Das ingenieurmäßig naheliegende Prinzip ist allerdings nur effektiv und wirtschaftlich für duktile Baustoffe mit klar ausgeprägtem Fließverhalten. Diese in den Glasbau direkt übertragene Technik bringt jedoch einige wesentliche Nachteile mit sich: Vor allem bei den Bohrlöchern treten unter Belastung Spannungsspitzen auf, die die Spannungen im ungebohrten Bereich um ein Vielfaches überschreiten. Da Glas im Gegensatz zu Metallen nicht die Möglichkeit aufweist, Spannungsspitzen über Werkstoffplastifizierungen abzumindern, sind diese Singularitäten ausschlaggebend für die Dimensionierung der ganzen Glasscheibe. Das Glas wird somit nicht optimal ausgenutzt.
Die oben aufgeführten Nachteile einer metallischen Glasverbindung können, mit dem Einsatz von Klebefolien, vermindert werden. Eine Befestigung mit Klebefolien ist einfach, hat einige wenige Einzelteile und ist somit wenig anfällig. Durch die hoch automatisierte und standardisierte Herstellung des Klebstoffes in Form von Klebefolie oder beidseitigem Klebeband wird eine schnelle Montage möglich. Das sehr hohe Maß an Vorfertigung bringt entscheidende Vorteile der Klebebandverbindungen im Umgang auf der Baustelle in Hinsicht auf Zeit und Reproduzierbarkeit. Auch formal gesehen, hat die neue Technik entscheidende Vorteile gegenüber herkömmlichen Bohrhalterungen: Bisher liegt der Klemmteller auf der Außenseite um seine Bauteilstärke und Kunststoffdichtungen über der Glasoberfläche. Dadurch wird die glatte Glasoberfläche mehrmals pro Glastafel gestört, was bei geklebten Haltern entfällt.
Die Anwendung von Klebefolien und Tapes (Klebebändern) ist zwar in der Glasarchitektur ein Novum, wird aber im Fahrzeugbau sehr erfolgreich praktiziert, wo unter anderem großflächige Karosserieteile oder thermisch exponierte punktuelle Verbindungen wie die Rücksichtspiegel an der Windschutzscheibe verklebt werden. Weiterhin zeigen die im Flugzeugbau verbreiteten Klebetechniken wie geeignet diese Fügungsart bei dynamischen Beanspruchungen ist. Das konstruktive Kleben mit Folien im geschützten Innenbereich hat bereits vorsichtig begonnen, wie große experimentelle Objekte auf der letzten glasstec im Oktober 2006 in Düsseldorf gezeigt haben. Um den Einsatz von Tapes und Klebefolien bei Gebäudehüllen zu ermöglichen, werden am ILEK die hierfür entscheidenden Parameter wie die Dauerhaftigkeit der Klebeverbindung unter Einwirkung von thermischen Belastungen, UV-Einstrahlung und Feuchtigkeit untersucht. Dies bildet später die Grundlage für geeignete praktische Berechnungsmodelle zur Bemessung der Klebungen.
Uns liegen bereits Testergebnisse darüber vor, wie bei Klebeverbindungen zwischen Stahlhaltern und ESG mit Klebefolien das Versagen in der Glasscheibe erfolgt – und nicht in der Klebeverbindung. Diese Resultate belegen das technische und zukunftsweisende Potenzial der geklebten Befestigungstechniken im Glasbau. Zumal der schonende Umgang mit den Ressourcen den Einzug dieser Befestigungstechnik in die Praxis verspricht.
II: Lineare Klebeverbindungen im Fassadenbau
Das stetig wachsende Format von Glasscheiben bei Fassaden erfordert neue Ansätze und Denkweisen über das Anschließen der Scheiben an das Tragwerk. Es ist wichtig, einerseits die Verformbarkeit der Fassade unter Kontrolle zu behalten und anderseits die Scheibenstärke von 12mm der zu laminierenden Glasscheiben aus Gewichts- und Kostengründen nicht zu überschreiten.
Unter solchen Voraussetzungen ist die Benutzung einer 4-seitigen Linienlagerung von klarem Vorteil.
Glasschwerter können als lokale Lagerung für die Scheiben bzw. zur Aussteifung der Fassaden verwendet werden, wobei eine gestalterisch sowie konstruktiv hochqualitative Verbindungsweise zwischen den Glasschwertern und den Glasscheiben sehr schwer zu erreichen ist. Entscheidet man sich für eine punktförmige Verbindungsweise, dann wird die allgemeine Transparenz nur minimal beeinträchtigt. Als Nachteil hiervon muss man aber in Kauf nehmen, dass die Schwerter aufgrund der nicht optimalen Lasteinleitung, nicht homogen beansprucht werden und dementsprechend eine reduzierte Tragfähigkeit besitzen. Die volle Tragfähigkeit erreicht man nur, wenn eine kontinuierliche Verbindung gewährleistet ist. Dies sollte jedoch nicht zu Lasten der Transparenz erfolgen.
Werner Sobek Engineering & Design ist es gelungen, eine minimal gestaltete kontinuierliche Verbindung zwischen den Glasschwertern und den Glasscheiben für eine 20 m hohe Fassade im Nahen Osten zu entwickeln. Die Verbindung zwischen Glasschwert und Edelstahlprofilen erfolgt durch eine vorgefertigte konstruktive Silikonverklebung. Solche integrierte Elemente können nach der Fertigung vor Ort miteinander verschraubt werden. Diese Lösung erlaubt es, auf horizontal stabilisierende Rückseile zu verzichten, sodass die Fassade an Transparenz gewinnt und ihre Wartung einfacher erfolgen kann. Durch diese effektive Verbindungsweise gelingt es, das Raster der Hauptschwerter bei 4 m festzulegen, sodass nur ein kleines Sekundärschwert zwischen zwei Hauptschwertern an der Fuge nötig ist.
Das Ergebnis ist eine sehr filigrane und elegant gestaltete Fassade, die neue Maßstäbe im Bezug auf Transparenz setzt. Als Planer legen wir auch in Zukunft einen hohen Wert auf die Weiterentwicklung von Klebeverbindungen im konstruktiven Glasbau, da wir der festen Überzeugung sind, dass nur dadurch eine höhere Transparenz sowie eine optimierte Materialnutzung möglich ist. |
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Structural Silicone Glazing – Ein Blick in die Zukunft
Der Autor: Axel H. Giesecke, ist bei Dow Corning als Marktsegmentleiter Fassade – Europa tätig.
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Konstruktive Klebeverbindungen für Fassaden
Die Autoren: Dr.-Ing. Lucio Blandini (Werner Sobek Engineering & Design) und Dipl.-Ing. Jassen Mihaylov, ILEK, Universität Stuttgart forschen und entwickeln im Bereich geklebte Fassaden.