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Fassade — Quo vadis?

Gestalt und Konstruktion einer Fassade haben nicht nur auf den technischen Aufwand für ein Gebäude großen Einfluss, sondern tragen auch entscheidend zum Wohlbefinden der Nutzer bei. Sie bestimmen die Innenraumbedingungen in Bezug auf Tageslicht, Strahlungseintrag, Blendung, Luftwechsel und Schallschutz. Eine sorgfältige Fassadenkonzeption und Detailplanung kann große ökologische und ökonomische Einsparpotenziale aktivieren. Ideal ist es, wenn durch eine optimierte Fassade bei vermindertem Energie- und Technikaufwand der Nutzerkomfort steigt. Nicht zuletzt gilt es, ästhetische und kulturelle Aspekte mit technischen und physikalischen Randbedingungen zu einem schlüssigen Gesamtkonzept zusammenzuführen.

Werden Fassaden hermetisch abgedichtet ausgebildet, hat dies zur Folge, dass die objektiven Behaglichkeitsparameter zwar erfüllt, viele subjektive Aspekte zur Behaglichkeit jedoch vernachlässigt werden. Die Wahrnehmung der Umwelt in Form von Gerüchen, Geräuschen, Luftströmungen, Feuchtigkeits- und Temperaturschwankungen geht verloren. Das Empfinden von Jahres- und Tageszeiten wird stark abgeschwächt.

Der Trend zur weitgehenden Transparenz in der Architektur umfasst den Wunsch, die Hülle aufzulösen und Gebäude leicht und offen wirken zu lassen. Zudem liefert die Ganzglasarchitektur ein homogenes Erscheinungsbild der Außenhülle, mit der Dynamik, Präzision und Fortschritt assoziiert wird. Von außen wirken Ganzglasgebäude aber nur dann transparent, wenn sie hinterleuchtet sind, also in der Dämmerung und bei durchscheinender Sonne. Für den Nutzer im Inneren ist ein hoher Transparenzgrad wegen Blendung und möglicher Überhitzung im Sommer ungünstig.

Die Möglichkeit der natürlichen Lüftung ist ein grundlegender Aspekt bei der Fassadenplanung geworden. Bei spontanem Frischluftbedarf kann der Nutzer schnell und für ihn sofort spürbar Abhilfe schaffen. An Standorten mit guter Außenluftqualität kann eine Fassade, durch die Zuluft auf behagliche Art eingebracht wird, eine Lüftungsanlage ersetzen. Ist wegen der Art der Nutzung eine mechanische Lüftung erforderlich, so sollte sie durch natürliche Lüftung ergänzt werden.

Sind Fassaden besonnt, eignen sie sich für die Nutzung ­elektrischer und thermischer Solarenergie durch integrierte Systeme. Ideal ist es, wenn sich konstruktive und ökonomische Synergieeffekte herstellen lassen, z.B. wenn das Solarsystem gleichzeitig die Außenhülle bildet oder Solarzellen als Sonnenschutz genutzt werden können. Bei Verwaltungsgebäuden steht der thermischen Nutzung jedoch entgegen, dass diese nur einen geringen Wärmebedarf aufweisen.

Mit der Integration von technischen Systemen in die Fassadenebene kann die Flexibilität von Gebäuden erhöht werden. Der Platzbedarf für Schächte und Kanäle im Inneren entfällt. Bei Nutzungsänderungen lassen sich technische Systeme leicht nachrüsten. Zudem ist der Vorfertigungsgrad bei dezentralen Konzepten höher.

Fassaden müssen dynamisch auf variable Klimaverhältnisse und Innenraumbedingungen reagieren können, zudem sollte der Nutzer auf direktem Weg steuernd eingreifen können. In diesem Zusammenhang werden z.B. mit der Verfügbarkeit von variochromen Gläsern ganz neue Möglichkeiten bei der Fassadenplanung erschlossen.

Sonnenschutzgläser

Selektive Beschichtungen auf der Innenseite der äußeren Scheibe von Sonnenschutzverglasungen lassen viel sichtbares Licht, aber nur einen geringen Anteil der Energie im restlichen Sonnenspektrum in den Raum. Die spektrale Zusammensetzung des durchgelassenen Lichts kann sich verändern, Farbverschiebungen sind die Folge. Die Beschichtungen sind zu allen Jahreszeiten gleichmäßig wirksam. Im Winter reduzieren sie dadurch auch die solaren Wärmegewinne. Im Sommer sind i.d.R. ergänzende Maßnahmen nötig, um den Sonnen- und Blendschutz sicherzustellen. Die Reflexionseigenschaften im sichtbaren Wellenlängenbereich bestimmen die farbliche Erscheinung und Intensität der Spiegelung des Glases.

Bedruckte Gläser

Das Bedrucken von Gläsern ist eine Möglichkeit, den g-Wert zu reduzieren und gleichzeitig ein transparentes Erscheinungsbild herzustellen. Der Ausblick bleibt je nach Bedruckungsgrad und Bedruckungsstruktur in gewissem Umfang erhalten. Von außen haben bedruckte Gläser eine opake Erscheinung, so dass eine Durchsicht nicht gegeben ist.

Systeme im Scheibenzwischenraum (SZR)

Elemente im SZR von Isolierverglasungen vermindern den Strahlungseintrag und beeinflussen die Tageslichtverhältnisse im Raum. Die Durchsicht ist i.d.R. eingeschränkt. Sie können sowohl die Funktion des Sonnen- und Blendschutzes als auch der Lichtlenkung zur verbesserten Raumausleuchtung übernehmen. Eine weitere Funktion kann darin liegen, direktes Sonnenlicht auszublenden und nur diffuses Licht durchzulassen. Es gibt sowohl bewegliche, als auch starre Systeme. Starre Systeme sind kostengünstiger und langlebig. Bei manuell- oder motorbetriebenen System kann eine Funktionsstörung einen kompletten Austausch des Bauteils erforderlich machen. Systeme im SZR sind witterungsunabhängig und sehr effizient.

Variochrome Gläser

Variabel steuerbare Verglasungen erlauben eine reversible Änderung ihrer Eigenschaften bzgl. Licht- und Strahlungstransmission. Dadurch stellen sie die Lösung eines Grundproblems der Architektur dar. Sie verbinden einen steuerbaren witterungsgeschützten Sonnenschutz mit hoher Effizienz. Aktive Systeme ändern ihre optischen und thermischen Eigenschaften auf Knopfdruck, passive Systeme selbsttätig. Die Kombination mit TWD-Elementen stellt eine weitere Einsatzmöglichkeit dar, um Wärmeeinträge gezielt zu steuern. Variochrome Glassysteme befinden sich in der Testphase bzw. kurz vor der Marktreife.

Tageslichtlenkung

Tageslichtlenksysteme bewirken eine gleichmäßigere Ausleuchtung von Räumen und verbessern besonders in der Raumtiefe die Belichtung. Lichtlenksysteme unterscheiden sich dadurch, ob sie diffuses oder direktes Licht leiten bzw. transportieren, ob sie statisch sind oder sich nachführen lassen. Systeme, die direktes Licht lenken, lenken stets auch diffuses Licht aus dem Himmelswinkelbereich, für den sie optimiert sind.

Blendschutz

Blendschutzeinrichtungen streuen direktes Licht in diffuses Licht auf oder reflektieren direktes und diffuses Licht nach außen. Somit gelangt kein direktes Sonnenlicht an den Arbeitsplatz und hohe Leuchtdichteunterschiede werden vermieden. Um den Raum nicht zu sehr abzudunkeln, ist darauf zu achten, dass im oberen Bereich noch Licht nach innen gelangen kann. Deshalb ist es günstig, den Blendschutz von unten nach oben zu führen. Sehr wichtig ist der Blendschutz im Winter, wenn die Solarstrahlung aus thermischen Gründen im Raum erwünscht ist. Mit hoch reflektierenden Jalousien an der Innenseite der Außenwand lässt sich ein optionaler Blendschutz realisieren. Idealerweise sind die Jalousien so ausgeführt, dass sie im oberen Bereich noch Tageslicht über die Decken in den Raum lenken. So wird eine ausreichende Helligkeit in der Raumtiefe gewährleistet und es ergibt sich eine gute Leuchtdichteverteilung.

Transluzente Wärmedämmung (TWD)

Die Integration von TWD-Elementen in eine massive Einfachfassade kann eine zeitverzögerte Wärmeabgabe nach innen bewirken. Dies entspricht dem Lastverlauf, wie er sich z.B. bei Verwaltungsgebäuden einstellt, bei denen Heizwärme i.d.R. nur in der strahlungsarmen Zeit erforderlich ist. Eine Schwierigkeit ist die Verschattung im Sommer. Besondere Einsatzpotenziale bietet die TWD bei Gebäuden, die auch in der Übergangszeit einen Heizwärmebedarf aufweisen, z.B. Hallenbäder. Wird eine transparente Wärmedämmung ohne Speicherwand in die Fassade integriert, ergibt sich keine Zeitverzögerung bei der Wärmeabgabe und das transparente Material bewirkt eine Lichtstreuung.

Photovoltaikfassade

Bei der Integration von PV-Modulen in die Fassade ergeben sich konstruktive und wirtschaftliche Synergieeffekte, sofern die Module gleichzeitig die äußere Fassadenebene bilden. Die Module können in eine Pfosten-Riegel-Konstruktion eingesetzt werden oder als Vorhangschale bei einer massiven Konstruktion angeordnet sein. Dadurch ersetzen sie das ohnehin notwendige Fassadenmaterial. Auch die Befestigungstechnik muss nicht nochmals zur Verfügung gestellt werden. Zu bedenken ist, dass der Wirkungsgrad von Photovoltaikzellen mit zunehmender Zelltemperatur abfällt. Insofern sind hinterlüftete Konstruktionen sinnvoll.

Dezentrale Lüftungsgeräte

Dezentrale Lüftungsgeräte saugen Außenluft direkt vor der Fassade an, erwärmen oder kühlen diese und bringen sie dann gefiltert in den Raum ein. Durch das Anbringen der Geräte in Fassadennähe sind horizontale Lüftungsinstallationen im Gebäude nicht erforderlich, so lässt sich Installationsraum einsparen. Dadurch kann die Raumhöhe reduziert und die Speichermassen leichter freigehalten werden. Dezentrale Lüftungsgeräte können entweder nur als Zuluftgeräte mit zentraler Abluft oder als Zu- und Abluftgeräte eingesetzt werden. Der Vorteil von dezentralen Systemen liegt in einer weitgehenden Flexibilität für die technische Ausrüstung. Der Luftvolumenstrom sowie die Heiz- und Kühlleistung können entweder durch unterschiedliche Geräte oder durch eine unterschiedliche Geräteanzahl den Nutzungsbedingungen im Raum angepasst werden.

Fenster und Lüftungselemente

Bei der natürlichen Lüftung muss der Öffnungsflügel des Fensters fein einstellbar sein, Witterungsschutz bieten, einen umfangreichen Luftwechsel gewährleisten, dazu beitragen, thermische Unbehaglichkeit zu begrenzen und möglichen Lärmeintrag verhindern. Um die natürliche Lüftung während des ganzen Jahres sicherzustellen, ist ein konventioneller Dreh-Kipp-Beschlag allein meist nicht ausreichend. Weitere Lüftungselemente sind je nach Standort und Art der Nutzung zusätzlich vorzusehen. Ziel ist es, bei allen Außenbedingungen den Luftwechsel optimal einstellen zu können. Die Lüftungsöffnungen sollten sowohl eine Stoßlüftung als auch eine dosierte Dauerlüftung ermöglichen. Grundsätzlich kann die Lüftung über Fenster mit verschieden ausgebildeten Beschlägen oder über Lüftungselemente in der Fassade erfolgen.

Außen liegende Sonnenschutzsysteme

Ein außen liegender Sonnenschutz ist am wirkungsvollsten, da die Solarstrahlung schon vor der Fassade ausgeblendet wird. Die Witterungs- und Windexposition bedingt jedoch höhere Investitions- und Wartungskosten und erfordert einen Antrieb für die Sonnenschutzsteuerung. Eine weitere Möglichkeit ist das Ausstellen von beweglichen Elementen, wodurch eine Durchsichtszone freigehalten werden kann. Außen liegende Jalousien aus Alu, Kunststoff oder Holz erreichen Werte für den Abminderungsfaktor FC des Sonnenschutzes von bis zu 0,1. Nachteile bezüglich der Tageslichtnutzung lassen sich durch Jalousien mit differenziert verstellbaren Lamellen im Oberlichtbereich vermindern.

Die Autoren:Prof. Gerhard Hausladen ist Ordinarius des Lehrstuhls für Bauklimatik und Haustechnik an der TU München. Petra Liedl und Michael de Saldanha sind Mitarbeiter am Lehrstuhl. Von den Autoren stammen auch die Standardwerke zum ganzheitlichen Planen und Bauen ­ClimaDesign und ClimaSkin.

Weitere Informationen

Folge 1Anforderungen an FassadenFolge 2 Structural Glazing + Konstruktiver Glas­bauFolge 3 Profile + FensterFolge 4 Vakuumpaneele + SuperisolierglasFolge 5 Automatisierung + PhotovoltaikFolge 6 Tageslicht + Raumklima

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ClimaDesign — ClimaSkin

Die Bücher wenden sich an Architekten, Ingenieure und Fassadenspezialisten, für die Behaglichkeit und niedriger Energieverbrauch wichtige Ziele ihrer Arbeit sind und die durch eine Optimierung der Gebäudestruktur und der Fassade ganzheitliche Konzepte erstellen möchten. Bauherren, Investoren und allen am Bauen Interessierten vermittelt es die Wissensgrundlage, um Konzepte, Entwürfe und Gebäude kompetent beurteilen und damit technische und ökonomische Konsequenzen abschätzen zu können.

ClimaDesign gibt eine Gesamtschau über das Thema des energie- und klimaoptimierten Bauens. Die Inhalte sind eine Symbiose aus technischem und architektonischem Ansatz, wobei der Mensch im Mittelpunkt steht. Ziel des Buches ist es, das Wissen nicht seriell darzustellen, sondern in einen vernetzten Kontext zu bringen, um der Planungspraxis optimal Rechnung zu tragen.

ClimaSkin stellt den Themenbereich Fassadensysteme des Buches ClimaDesign umfassend dar. Die Fassade als Haut des Gebäudes wirkt als Schnittstelle zwischen innen und außen und nimmt eine Schlüsselposition bei der Gebäudeplanung ein. Sie erfüllt thermische Funktionen, dient der Lüftung, der Tageslichtversorgung und dem Schallschutz. Die Planung der Fassade interagiert eng mit der Konzeptionierung der Gebäudetechnik sowie der Gebäudestruktur und steht in einem ästhetischen Kontext. Das Buch ist angelegt als praxisorientiertes Planungshandbuch mit konkreten Konzeptionshilfen rund um Entwurf und Detailplanung energetisch und raumklimatisch optimierter Fassaden.

ClimaDesign – Lösungen für Gebäude, die mit weniger Technik mehr können

Gerhard Hausladen, Michael de Saldanha, Petra Liedl, Christina Sager

2005. Birkhäuser-Verlag, Basel

208 Seiten, 60,- €

ISBN 3-764-37244-3

ClimaSkin – Konzepte für Gebäudehüllen, die mit weniger Energie mehr leisten

Gerhard Hausladen, Michael de Saldanha, Petra Liedl

2007. Callwey-Verlag, München

192 Seiten, 84,- €

ISBN 978-3-766-71677-4

Standardwerke zum ganzheitlichen Planen und Bauen

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