Mund: Ein kürzlich abgeschickter Facebook-Post von Dir hat mich erschüttert: In deiner Funktion als Sachverständiger bekommst du logischerweise vorab die Akten für einen Gerichtsstreit zugeschickt. Und dass sich generell die Streitfälle häufen, ist ja jedem schon bekannt. Aber dass die Volumina der Gerichtsakten auch bei sehr geringem Streitwert solche (im Bild gezeigten) Außmaße annehmen, dass mittlerweile der Paketdienst an deiner Haustür klingelt und 10 kg Aktenordner quittiert haben möchte, ist keine gute Entwicklung. Aber für Dich doch eigentlich ein lukratives Geschäft, oder?
Vögele: Eigentlich muss ich die Frage verneinen, weil die Bezahlung bei Gericht nicht stimmig ist. Aber das ist ein anderes Thema. Gutachten waren schon immer ein lukratives Geschäft, wir kommen aber jetzt an einen Punkt, wo allein die Menge der Gutachten nicht mehr zu bewältigen ist. Die Anfragen sind dieses Jahr bei mir um 300 % gestiegen, bei Kollegen sieht es nicht anders aus. Die Frage lautet doch eher, muss das so sein? Ich führe seit 1993 eine Statistik, die eindeutig zeigt, dass Streiten für den Fachbetrieb oder Hersteller wenig Sinn macht: In 28,1 % der Fälle verliert der Kunde, folglich in 71,9 % der Handwerker/Hersteller. Und noch interessanter ist: 63,6 % der Fehler werden bei der Planung und Beratung, 27,9 % bei der Montage und nur 8,3 % beim Produkt gemacht. Ist das nicht viel erschütternder?
Mund: Dass die eingebauten Produkte meistens halten, was sie versprechen, spricht für eine hohe durchgängige Produktqualität. Aber dass der Handwerker in den überwiegenden Fällen vor Gericht das Nachsehen hat, sollte jedem eine Aufforderung sein, sich doch auf anderem Wege mit dem Kunden zu einigen – oder eben auf absolute Qualität am Bau höchsten Wert zu legen. Tricksen und Täuschen wird halt immer schwerer, denn es stehen ja auch immer bessere und einfachere Beweismittel zur Verfügung, um Montagefehlern auf die Schliche zu kommen – einige dieser Analysegeräte zeigst du ja in deinem Beitrag ab Seite 20. Aber was ist mit den Planungsfehlern: Das sollten ja eigentlich die Probleme der Architekten sein. Ist also der Handwerker der Dumme, wenn er auch noch Planungsleistungen übernimmt?
Vögele: Wenn ein Architekt am Bau beteiligt ist, liegt die Fachplanung in der Regel erst mal bei ihm. Bedeutet aber trotzdem, dass man mitdenken und die Instrumente Bedenken und Behinderung einsetzen muss. Gibt es keinen Architekten, ist der Handwerker der Fachplaner. Was gibt es daran auszusetzen? Er ist meist Handwerksmeister und hat seinen Beruf gelernt. Warum nutzt er nicht seinen Wissensvorteil gegenüber seinem Wettbewerb und setzt es auch ein, anstatt beim Ortstermin zu jammern, das hab ich nicht gewusst. Wissen bedeutet auch zu wissen, wann man fragen muss. Nur mit dem Fragen tun sich die meisten sehr schwer. Frage beantwortet?
Mund: Ja! Und Ihnen, liebe Leser wünsche ich jetzt viel Spaß mit der aktuellen Ausgabe der GLASWELT. Vielleicht sehen wir uns ja in Rosenheim und können gemeinsam mit einem Power-Joghurt eines ift-Sponsors in der Hand über die Zukunft des Handwerks bzw. der Branche diskutieren.