Mund: Am Wochenende ging es mit dem Fahrrad durch wahrlich blühende Landschaften im Hohenlohekreis. Was mich überraschte: Mittlerweile sind Solaranlagen auf dem Dach und an vielen Fassaden richtig in Mode gekommen. Warum aber habe ich eigentlich den Eindruck, dass unsere Branche dabei ist, den Zug zu verpassen und das Betätigungsfeld komplett einer sehr erfolgreichen Spezialbranche zu überlassen? Die Fenster- und Fassadenbranche scheint's gar nicht zu kümmern. Dabei besetzen diese Unternehmen gerade die Schlüsselposition zwischen Spezialanbieter und Endkunden. Nur ein paar wenige Flachglasanbieter nehmen sich dieses Themas an. Oder siehst Du das anders?
Rehberger: Ja, die großen Glasanbieter und -verarbeiter beschäftigen sich schon länger mit dem Thema. Entsprechend sind heute bereits marktreife Solarsysteme für die Fassadenintegration erhältlich. Und die Erwartungen in Sachen Zuwachsraten sind sehr hoch. Gerade kleine und mittelgroße Verarbeiter sind aber kaum aktiv, wobei gerade solche Firmen sich dort gut positionieren könnten, das zeigt das Beispiel von Glas Wulfmeier (siehe Seite28). Woran kann es liegen, dass die Fenster- und Fassadenanbietern auf diesen Zug noch nicht aufgesprungen sind?
Mund: Getreu dem Motto „Schuster bleib bei deinen Leisten“ bleibt die Fensterbranche lieber bei dem, was sie schon immer gemacht hat: Solide Fensterprodukte. Bei „Solar“ müsste man sich schließlich einem komplett neuen Thema widmen – und das fällt sehr schwer. Aber die Stromgeneratoren aus Glas auf dem Dach möchte man mittlerweile auch nicht missen: Viele Produktionshallendächer werden selbst durch PV-Anlagen genutzt oder an Solar-Projektierer vermietet. Warum kann man sich diese Technologie nicht auch für das Produktangebot zu eigen machen und ein Solarfenster anbieten? Schließlich werden doch auch Markisen und Dachflächenfenster mit den Energiespendern ausgestattet.
Rehberger: Es gibt auch interessante Systeme für den Fassadeneinsatz, wie unser SPEZIAL ab Seite22 zeigt. Mit sogenannter fassadenintegrierter Photovoltaik lässt sich über die Gebäudehülle aus Metall und Glas nicht nur Energie gewinnen, sondern darüber hinaus auch noch Verschattung und Sichtschutz umsetzen. Damit nimmt das Leistungsvermögen der Fassade deutlich zu und erlaubt gleichzeitig noch eine gewisse Refinanzierung über ihre Lebensdauer. Gerade die Sanierung bestehender (Objekt-)Fassaden birgt ein riesiges Potenzial.
Mund: … das hat sogar schon der Vatikan erkannt. Seit Jahresanfang produziert der Kirchenstaat jährlich rund 300000 Kilowattstunden Strom durch eine PV-Anlage auf dem Dach der päpstlichen Audienzhalle. Und bald möchte der Stadtstaat komplett emissionsfrei werden – dazu plant man eine große Anlage mit 100 Megawatt Leistung. Ein Vatikansprecher: „Damit möchte man ein Vorbild für andere sein, damit man sagen kann: Wenn der Vatikan das macht, dann wäre es auch für mich möglich, erneuerbare Energie einzusetzen.“ Vielleicht hilft diese Aktion ja auch, das Solar-Bewusstsein der Unternehmer noch weiter zu wecken.
Rehberger: Und wir wecken bei Ihnen, liebe Leser, hoffentlich auch dieses Interesse an Solar und Photovoltaik – oder helfen bei der Vertiefung. Viel Spaß mit der neuen GLASWELT.