Rehberger: Der Meisterbrief, der Garant für Qualität und handwerkliches Know-how, ist seit zehn Jahren in vielen Berufen keine Pflicht mehr. Mit dem Wegfall der Meisterpflicht für viele Berufsgruppen wollte Rot-Grün eine größere Vielfalt bei Fachbetrieben schaffen und einen einfacheren Marktzugang erreichen. Hat das geklappt? Leider nicht.
Mund: Man könnte jetzt meinen: Das interessiert uns doch nicht – bei Fensterbauer, Schreiner, Glaser oder Metallbauer ist der Meisterbrief nach wie vor zwingend vorgeschrieben, will man einen Ausbildungsbetrieb betreiben. Aber der EU sind diese Regelungen in der Handwerksordnung ein Dorn im Auge. Die Gefahr besteht, dass auch bei den übrig gebliebenen 41 Berufen der Meisterzwang aufgrund der europäischen Angleichungsbestrebungen fällt.
Rehberger: In dieser Hinsicht können wir kurz einmal aufatmen, die Europäische Kommission hat aktuell keine Pläne, die deutsche Handwerksordnung aufzuheben. Der Meisterbrief soll auch in Zukunft für qualifizierte Handwerker in Deutschland bestehen bleiben, das sagte der Generaldirektor der Europäischen Kommission, Daniel Calleja Crespo auf der diesjährigen Handwerksmesse in München. „Der Meisterbrief ist eine der Säulen der deutschen Wirtschaft“, betonte er dort.
Mund: Ich würde den Reden eines Herrn Crespo langfristig nicht vertrauen. Denn: Die EU-Kommission verpflichtet aktuell ihre Mitgliedstaaten, ihre reglementierten Berufsqualifikationen zu überprüfen und zu modernisieren. Auch ZDH-Präsident Hans Peter Wollseifer sieht die Pläne aus Brüssel mit großer Sorge und sagt: „Die duale Ausbildung ist dadurch in Gefahr“, es drohe die Zerstörung gewachsener Ausbildungs- und Qualitätsstandards und die Aushöhlung des Meisterbriefes. Und schon jetzt findet diese Aushöhlung statt: EU-Einwanderer können hierzulande mit weitaus geringeren Qualifikationsnachweisen einen Meisterbetrieb ohne Meisterbrief führen.
Rehberger: Unser bewährtes Ausbildungssystem darf auf keinen Fall durch eine Gleichmacherei aus Brüssel erodiert werden. Unsere Meisterbetriebe bilden traditionell immer schon den Branchennachwuchs aus. Und wie die letzten zehn Jahre gezeigt haben, wird in „Nicht-Meisterbetrieben“ – wenn überhaupt – wesentlich weniger ausgebildet. Gerade unser duales Ausbildungssystem legt die Basis für ein fundiertes Wissen der Handwerker und in der Konsequenz für eine hohe Qualität. Eine qualifizierte Ausbildung für eine nachhaltige Berufsperspektive sind wir unseren jungen Menschen schuldig.
Mund: Ein ganz anderer Aspekt blieb bislang dabei noch unberücksichtigt: Dadurch, dass EU-Bürger hierzulande einen Betrieb unter Umgehung der Berufsqualifikationen aufmachen können, steigt das Angebot an Billiganbietern. Und auch der Wegfall der Meisterpflicht in vielen Handwerksberufen hat dazu beigetragen, dass die Handwerkerstunde immer weniger wert ist und es „richtigen“ Meisterbetrieben immer schwerer fällt, ihre Kosten bei den marktüblichen Preisen zu decken.
Rehberger: Ein heikles Thema: Wie lässt sich Qualität gegenüber dem günstigeren Preis durchsetzen? Ein pauschales Rezept wird es nicht geben. Doch der gut ausgebildete Meister steht für Qualität. Er hat unter anderem den Wettbewerbsvorteil, der schwer wiegt: Er kann sein Wissen und Können gegenüber einem ungelernten Billiganbieter in die Waagschale werfen. Ihnen wünschen wir jetzt eine spannende Lektüre mit der neuen GLASWELT.