Mund: Und täglich grüßt das Murmeltier: Die Debatte um die Wiedereinführung der Meisterpflicht kommt immer mal wieder auf – ungefähr genauso häufig wie im Sommerloch die Debatte um ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen. Glaubst du wirklich den Versprechungen von Handwerkspräsident Wollseifer, dass im R+S Handwerk in diesem Jahr wieder die Meisterpflicht eingeführt werden könnte?
Vögele: Wenn es um das Glauben geht, darf man bei Wollseifer vollkommen sicher sein, dass er alles gibt, um verschiedene Berufe wieder in die Anlage A zu bringen. Für mich geht es aber mehr um das Wissen, und so kann ich ganz aktuell von dem Pressegespräch des BVRS zum R+S Tag berichten, wo Wollseifer Gast war. Das Thema Meisterbrief nahm einen großen Teil der Gesprächsrunde ein und Wollseifer verdeutlichte nochmal sehr klar, dass er alle erforderlichen Trümpfe inklusive zweier Rechtsgutachten in den Händen des ZDH wisse, um eine Rückführung in die Anlage A realisieren zu können. So gesehen bleibt jetzt abzuwarten, wie sich die Politik dazu entscheidet. Bist du dafür oder dagegen?
Mund: Natürlich würde ich mich freuen, wenn auch im R+S Handwerk wieder eine Meisterpflicht bestünde – allein der Glaube fehlt mir, dass es dazu wirklich kommen wird. Und mit der Meisterpflicht allein ist es auch nicht getan. Wir erleben ja gerade, dass auch ein Handwerksberuf mit meisterlichen Karrierechancen nicht davor gefeit ist, als recht unattraktiv zu gelten. In der BILD-Zeitung war ja schon von einer ‚Klempner-Krise‘ zu lesen – gemeint war damit die Sanitärbranche: Kunden klagen über lange Wartezeiten, Betriebe klagen über Nachwuchsmangel, Beschäftigte klagen über schlechte Löhne. Eigentlich ja kein Teufelskreis, man müsste doch nur an der einen oder anderen Stellschraube drehen, oder?
Vögele: Genau das ist der Punkt, Daniel. Alleine mit der Anlage A ist es nicht getan. Da müssen auch die Betriebe aktiv ran, um die Ausbildungsmisere zu beseitigen, die den Fachkräftemangel zum Teil verursacht hat. Da kann man dann gleich das nächste heiße Thema anfassen, die Flüchtlingsintegration. Ich erlebe hier gerade persönlich bei der Firma Musculus in Köln, wie einfach das gehen kann, wenn man sich dafür einsetzt. Mit motivierten Mitarbeitern und Auszubildenden ist das kein Problem – wenn man denn fachlich ausbilden kann. Und hier ist wieder der Meister gefragt. Die Ausbildereignungsprüfung der IHK ist eine gute Sache, aber der fachliche Inhalt eines Berufes dort kein Thema. Sandra Musculus, die Firmenchefin dort, definiert es relativ simpel. Ihr Motto lautet nicht „wir schaffen das“, sondern „wir machen das“. Kein „ja, aber“, dafür einfach mal machen. Ein gutes Beispiel.
Mund: Ein weiteres Beispiel ist die Initiative der Berufsschule in Vilshofen. Auch dort wird nicht das Problem des Fachkräftemangels beschrieben, sondern angepackt: Für Metallbauer, Schreiner und Glaser werden eigene Abiturientenklassen als Kontrapunkt zum Fachkräftemangel eingerichtet. Hochschulzugangsberechtigte sollen so von einer Ausbildung im Handwerk überzeugt werden. Schließlich werden die Anforderungen im Handwerk immer komplexer und gute Leute werden in jedem Bereich händeringend gesucht. Mit solchen Ansätzen mache ich mir um den Nachwuchs in unserem Handwerk etwas weniger Sorgen.