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Gehört der Glaser zur aussterbenden Berufe-Gattung?

Mund: Vor Kurzem wurde einer Studie von der Universität Oxford in den Sozialen Medien viel Beachtung geschenkt: Die kam nämlich zu dem Ergebnis, dass in 20 Jahren fast die Hälfte der Berufe bedroht sind (GW E-Paper: hier kann man selbst testen). Einleuchtend war dabei die Aussage, dass Taxifahrer, Uhrmacher oder Kassierer wegrationalisiert werden könnten. Für mich ein wenig erstaunlich ist die Prophezeiung, dass auch der Glaser mit einer Wahrscheinlichkeit von 73 Prozent zur aussterbenden Berufe-Gattung gehört. Was meinst du dazu?

Vögele: Ich fand die Studie durchaus interessant, aber im Bereich Handwerk irrt sie für mich in vielen Fällen. Kein Computer wird den Handwerker vor Ort ersetzen können. Häuser werden mit den Händen gebaut, und das wird sich auch in den nächsten 20 Jahre nicht so schnell ändern. Da ist es egal ob Glaser, Schreiner oder Schlosser. Ich sehe hier eher den Trend wieder zurück in das qualifizierte Handwerk. Hier würde ich prophezeien, dass Ausbildung wichtiger wird als je zuvor. Oder bist du anderer Meinung?

Mund: Ich würde gerne deinen Ausblicken zustimmen – aber das fortschreitende digitale Zeitalter führt zu einem Wandel des Verständnisses von Kunden, Geschäftsbeziehungen und Wertschöpfungsketten. Und es kommen in immer kürzeren Zeitabständen neue Technologien auf den Markt. Du wirst mich jetzt fragen, was das mit dem Handwerk zu tun hat: Ich vermute und fürchte, dass Menschen auch in diesem Bereich mit alten Gewohnheiten brechen werden. Traditionen werden auch hier kaum mehr eine Rolle spielen, es zählt nur noch die aktuelle Effizienz. Man könnte also folgendes Zukunftsszenario entwerfen: Fenster bauen kann man industriell. Bei der Montage ist zwar noch Köpfchen gefragt – aber auch hier gibt es immer mehr Ideen, Bauelemente per „Plug & Play“ in die Fassade zu integrieren.

Vögele: Die Fertigung ist die eine Sache, die Montage vor Ort die andere. Für den Fertighausbereich gebe ich dir recht. Dort wird auch der Einbau von Fenstern und Sonnenschutz mit industriellen Maßstäben erledigt unter Aufsicht mit angelernten Kräften. Beim Arbeiten auf der Neubau-Baustelle kann man auch noch in diesen Maßstäben denken, wenn mit vorgefertigten Systembauteilen gebaut wird. Die Zulieferindustrie entwickelt dazu mehr und mehr einbaufertige Systeme, um die mangelnde Qualifikation von Arbeitskräften auszugleichen. Bei der Renovierung in Bestandsgebäuden sieht es jedoch ganz anders aus, denn hier werden qualifizierte Fachkräfte gebraucht. Ein standardisierter Einbau ist hier i. d. R. nicht möglich…

Mund: …und wird wohl auch noch länger nicht möglich sein, da gebe ich Dir recht. Denn jede Baustelle ist anders und jede Fassade ist in einem anderen Zustand. Aber klar ist doch auch, dass die Entwicklungen auf der Baustelle nicht halt machen werden. Die Zulieferindustrie wird sich sicher Konzepte einfallen lassen, eine individuelle Vor-Ort-Situation mit einer großen Lösung abzudecken. Übrigens sind in der Studie auch Redakteure aufgelistet: Angeblich haben die eine bessere Überlebenschance und sind nur zu 5 Prozent gefährdet. Gute Fachmedien sterben also vielleicht nicht ganz so schnell aus. In diesem Sinne, viel Spaß mit der aktuellen und prall gefüllten Ausgabe.

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