Mund: Ich habe mal den „Google Trend“ bemüht: Gibt man dort „Lüften“ ein, wird deutlich, dass dieser Begriff seit Oktober einen regelrechten Boom erlebt. Noch nie zuvor hat die Menschen dieses Thema so intensiv beschäftigt – ein Mega-Trend mit Potenzial! Denn die Lust nach guter und reiner Luft wird wohl auch nach der Pandemie nicht so schnell verebben. Tatsächlich bieten viele Firmen schon jetzt ganz unterschiedliches Lüftungsequipment an – vom kleinen Fensterfalzlüfter bis hin zu Lüftungsmöglichkeiten, bei dem die Kipplüftung nochmals verstärkt wird (siehe diese Ausgabe). Früher war der U-Wert das Maß aller Dinge und das Energiesparpotenzial das Mega-Thema in der Fenster- und Fassadenbranche. Jetzt geht es eher um den Raumkomfort. Wie kann man der Energieeffizienz in Anbetracht unserer Klimakrise wieder mehr auf die Sprünge helfen, Matthias?
Rehberger: Nach meinem Gefühl ist bei uns Energieeffizienz bei Fenstern und Isoliergläsern heute bereits Standard. Will man mehr, braucht es spezielle Produkte, die jedoch teurer als der Standard sind. In diesem Zusammenhang sind für mich Vakuum-Isoliergläser interessant, mit Gesamtdicken von nur 6 - 10 mm. Diese dünnen Gläser lassen sich z. B. auch in denkmalgeschützten Bauten und Bestandsfenstern einbauen sowie bei „alten“ Schaufenstern. Hier schlummern noch große Potentiale.
Mund: Glaubst Du an das reale Potenzial des Vakuumglases? Seit Jahrzehnten werden hier doch Glasprodukte weiterentwickelt, die vom Markt nicht angenommen werden. Einzig die Holzforschung Austria und die TU Wien haben zusammen mit Projektpartnern aus der Industrie schon umsetzungsfähige Prototypen vorgestellt. Aber braucht es nicht für einen echten Markterfolg mehr Player, die das Vakuum-Potenzial erkennen?
Rehberger: Der Bedarf nach Vakuumglas ist da. Schon seit einiger Zeit bietet Pilkington solche Gläser an, die beispielsweise in den Niederlanden in der Sanierung zunehmend zum Einsatz kommen. Und da AGC ein neues Fertigungsverfahren für seine Vakuumgläser entwickelt hat und diese seit 2020 auch in Deutschland vertreibt, bin ich zuversichtlich, dass sich hier der Markt wirklich bewegen wird.
Mund: Ich bleibe skeptisch, ob die Vakuumtechnik ihr Nischendasein überwinden wird, würde mich aber über neue Fassadenprodukte mit Vakuumglas freuen, weil damit natürlich auch viel Heizenergie eingespart werden kann. Viel mehr Musik sehe ich dagegen in der smarten Glastechnik, gerade weil hier die Anwendungstechnik immer günstiger wird, das Potenzial immer breiter und der Fenster- und Fassadenanbieter sich ganz elegant dem Tageslichtthema widmen kann. Und Energiesparen lässt sich damit doch auch, oder?
Rehberger: Auf alle Fälle. Einen weiteren Schub in Sachen Energieeffizienz bringt die Vernetzung der Gebäudehülle, gerade im Neubau. Und hier lassen sich schaltbare Gläser mit variablem g-Wert sehr effizient einbinden. Dass dies wirtschaftlich ist, zeigt das Beispiel von Lidl, wo schaltbare Fassadengläser bereits bei über 90 Filialen den Sonnenschutz übernehmen (s. S. 60). Lassen wir uns überraschen, wie sich der Markt bewegen wird. Die GLASWELT wird Sie – liebe Leser – wie gehabt auch im neuen Jahr auf dem Laufenden halten. Ihnen ein frohes und erfolgreiches 2021.