Mund: … , so überschrieben die Autoren einen kürzlich erschienenen Artikel der Wochenzeitung „ZEIT“, in dem es um die Auswüchse der Sozialkasse der Bauwirtschaft (Soka Bau) ging. Die Brisanz des Themas wird im Beitrag anhand eines Beispiels klar: Ein Tischler steht vor dem Ruin, weil die „soziale“ Kasse ihm gegenüber Beiträge in Höhe von über 100000 Euro eingefordert hat. Sein Problem: Er hat Fenstermontagen durchgeführt, was die Kasse zu den baugewerblichen Tätigkeiten gezählt hat. Und wer diesen Tatbestand erfüllt, muss sich am Tarifvertrag der Bauwirtschaft mit einem Umlageverfahren für Urlaubsentgelte und Zusatzrenten für Beschäftigte am Bau beteiligen. Rückwirkend (bis zu 4 Jahre) kann so ein hübsches Sümmchen zusammenkommen. Mit „sozial“ hat das doch gleich gar nichts mehr zu tun, oder?
Rehberger: In diesem Fall wohl nicht. Ansonsten jedoch schon, da sich die Soka Bau dafür einsetzt, dass Bauarbeiter auch in der beschäftigungsfreien Zeit sicher ihr Urlaubsgeld bekommen. Das betrifft die Winter- und die Übergangsmonate, wenn auf der Baustelle aufgrund der Witterung nicht gearbeitet werden kann. Für die am Bau arbeitenden Handwerker ist dieses Umlageverfahren eine wichtige Einrichtung.
Mund: Aber: Hast Du schon einmal gehört, dass ein Bautischler im November die Bude zumacht und erst im März wieder seine Leute einstellt? Die „wichtige Einrichtung“ beschränkt sich eben nur auf die Bauwirtschaft. Für Nachbarbranchen stellt sie sich eher als ein Schreckgespenst dar. Hintergrund: Der von der Bundesregierung immer schon für allgemeinverbindlich erklärte Tarifvertrag (VTV) gilt auch für diejenigen Betriebe, die mit den Unterzeichnern des Vertrages nichts zu tun haben (mehr Informationen über das Thema: Einfach das Stichwort auf glaswelt.de in die Suche eingeben). Auf gut Deutsch: Diese tariflichen Außenseiter sind trotzdem an den Tarifvertrag gebunden, nur weil sie nach seiner Definition ein Baubetrieb sind. Wie gerecht ist das denn?
Rehberger: Die Aussage der Soka Bau, sie müsse das geltende Tarifrecht umsetzen, greift bei unserem Schreiner zu kurz. Das hört sich eher nach „aus der Verantwortung ziehen“ an. Warum unterscheidet die Kasse nicht sauber zwischen den ganzjährig arbeitenden Baugewerken bzw. Betrieben – wie Schreiner und Fensterbauer – und solchen, die im Winter pausieren? Oder gibt es einen Bemessungsschlüssel, der Spielräume lässt?
Mund: Das hat doch nichts mit „aus der Verantwortung ziehen“ zu tun. Das ist pure Bereicherung an den tariflichen Außenseitern! Unterscheiden tut sie ja: Wenn ein Betrieb weniger als die Hälfte der Arbeitszeit „baugewerbliche Tätigkeiten“ ausübt, ist er nicht verpflichtet, an dem Umlageverfahren teilzunehmen. Wer darüber liegt, muss zahlen.
Rehberger: Wenn die rechtlichen Vorgaben so klar sind, sollte man sich als Bauhandwerker auch darauf einstellen. Die Soka Bau und ihre Beitragsforderungen gibt es seit über 10 Jahren, ihre Vorläufer schon viel länger; sie sollte den Baufirmen sowie auch ihren Steuerberatern demnach bekannt sein. Oder nicht?
Mund: Die rechtlichen Vorgaben sind klar, aber die Umsetzung stellt doch eher ein willkürliches Verfahren dar. Es kann doch nicht sein, dass jetzt eine Bauschreinerei ständig für sich überprüft, ob sie vielleicht in diesem Jahr über 50 Prozent Montagebauarbeiten durchführt und dann entsprechende Rücklagen bilden muss – vielleicht ist das aber auch gar nicht mehr nötig, denn die Problematik wird mittlerweile vor Gericht verhandelt, wie es in dem Artikel der ZEIT heißt: Gibt das Verwaltungsgericht Berlin der Klage einer örtlichen Bauvereinigung statt, könnte das schließlich das Aus für die allgemein verbindliche Gültigkeit des Bautarifs bedeuten. – Jetzt aber genug davon: Ihnen, liebe Leser, viel Spaß mit der neuen Ausgabe der GLASWELT.