Mund: Manchmal ist weniger einfach mehr: Beispielsweise, wenn es um die Höhe von Türschwellen für den barrierefreien Zugang zum Balkon oder der Terrasse geht. In dieser Frage streiten sich die „Gelehrten“, Planer und die Handwerker häufig um 2 cm. Dieses kleine Detail scheint die Gemüter regelmäßig in Rage versetzen zu können – zumindest dringt das manchmal so aus den verschlossenen Türen der Normen-Ausschusssitzungen und anderen Gremien. Hast du für diesen Streit Verständnis?
Rehberger: Ja und nein, das kommt auf den Blickwinkel an, hier muss man differenzieren. Als relevant sehe ich aber zuallererst den Nutzer und dessen Bedürfnisse, da es Menschen gibt, bei denen es nicht ohne Null-Schwelle geht, andere kommen auch mit 2 cm Höhe klar und wieder andere brauchen eine Schwelle. Wichtig ist, dass die Schwelle in Abstimmung mit dem Nutzer im Rahmen der DIN 18040 „Barrierefreies Bauen“ geplant und umgesetzt wird.
Mund: So einfach ist es leider nicht, denn in der DIN steht lediglich, dass Schwellen nicht zulässig sind. Sind diese unabdingbar, dürfen sie nicht höher als 2 cm sein. Dieser Satz ist nur leider so unklar, dass er gleichzeitig Haftungsgefahren birgt. Das in Baden-Württemberg zuständige Ministerium hat jetzt noch einmal klargestellt: „In Fällen, in denen die technische Erforderlichkeit einer Schwelle [...] nicht substantiell begründet wird, [...] liegen keine Ausnahmen im Sinne dieser Regelung vor“. Will heißen: Der Kunde wäre in einem solchen Fall in der Lage, gegen das ausführende Unternehmen zu klagen. Dieser Klageweg ist natürlich erst recht möglich, wenn der Planer und der Auftragnehmer die Möglichkeiten einer Nullschwelle gar nicht erst in Erwägung gezogen haben oder den Auftragnehmer nicht darauf hingewiesen haben.
Rehberger: Barrierefreies Bauen soll dem einzelnen Menschen das Leben leichter machen, was genau angepasste Maßnahmen erfordert – hier gehe ich bewusst einmal nicht auf öffentliche Bauten und den Markt für Wohnbau-Immobilien ein. Und eine individuelle Anpassung kann nur umgesetzt werden, wenn die einzelnen Maßnahmen von den Planenden und den Handwerkern auch im Detail mit dem Kunden abgesprochen und abgestimmt sind, nur so funktioniert dieser Markt. Deshalb verwundert es mich, wenn Handwerker bei der Planung nicht alle gesetzlichen Forderungen und die möglichen Ausnahmen dem Endverbraucher auf den Tisch legen. So lassen sich keine neuen Potenziale heben.
Mund: Etwas anderes ist es, wenn die Nullschwelle nicht Teil der Ausschreibung war. Bietet man dann an, was technisch möglich und erforderlich wäre, würde das das eigene Angebot so verteuern, dass man auf jeden Fall nicht zum Zuge kommt. Aber drauf hinweisen sollte man schon…
Rehberger: Wie sich Handwerker über barrierefreies Bauen und Sanieren neue Marktfelder erschließen können und Praxistipps für die Umsetzung, finden Sie in unserem Top-Thema ab Seite 22. Und jetzt Ihnen viel Spaß mit der neuen GLASWELT.