_ Angesichts der Möglichkeiten, die vorgespanntes Dünnglas bietet, erstaunt es, dass es solche Gläser heute nicht häufiger in der Architektur beziehungsweise im Fassadenbau eingesetzt werden.
Zusammengefasst noch einmal einige wesentliche Vorteile, die Dünnglas bietet: Es reduziert Frachtkosten, es senkt den Bedarf an Installations- und Rohmaterialien und trägt dazu bei, die beim Transport entstehenden Emissionen zu senken. Der Wirkungsgrad und das geringe Gewicht von Dünnglas machen es zu einem idealen Material für Solaranwendungen, für die Architektur und die Automobilindustrie. Zudem stellt vorgespanntes Dünnglas die Basis für neue Produkte für Glashersteller dar, einschließlich Vakuum-Isolierglas (VIG), Brandschutzglas (FRG) sowie kalt gebogener Glaselemente für Dächer und Fassaden.
Fertigungskapazitäten lassen sich noch deutlich ausbauen
Das dünnste voll vorgespannte Glas, das derzeit allgemein erhältlich ist, so Miika Äppelqvist von Glaston, hat eine Stärke von 3mm, obwohl der Markt nach noch dünneren Lösungen von ungefähr 2mm sucht.
Eine wesentliche Hürde ist die Tatsache, dass nur rund 12 Prozent der in Europa verfügbaren Öfen so dünnes Glas vorspannen können.
Darüber hinaus ist der Preis für dünnes Floatglas derzeit höher als für 4 mm starkes Glas, was die Entwicklung speziell von Anwendungen mit hohen Volumina verlangsamt.
Das sagt der Ofenexperte
Glaswelt – Warum stellt die Verarbeitung von Dünnglas eine Herausforderung dar?
Miika Äppelqvist – Der heute übliche Wärmebehandlungs- und Vorspannprozess wurde für die gängigen Stärken von 4 bis 19 mm entwickelt und nicht für Dünnglas, das ist ein Hemmnis.
Der Vorspannprozess hat zwei wichtige Parameter, die die Glasvorspannung beeinflussen: 1. die Temperatur des Glases, wenn es den Ofen verlässt und 2. der Vorspanndruck. Je höher die Temperatur des Glases ist, umso niedriger ist der benötigte Vorspanndruck. Das Problem ist allerdings der extreme Viskositätsverlust, der beim Transport des weichen Glases auf Rollen von der Heizzone in die Kühlzone auftritt und der optische Verzerrungen verursacht. Dies ist speziell für Architektur- und Fassadengläser problematisch, bei denen optische Verzerrungen und Irisierung möglichst vermieden werden sollen.
Glaswelt – Wo sehen Sie aktuell technische Einschränkungen?
Äppelqvist – Obwohl die 3-mm-Technik heute schon weiter verbreitet ist, hat sich diese für das Vorspannen von 2 mm starkem Glas als unpraktisch und zu kostspielig in der praktischen Umsetzung herausgestellt. Derzeit gibt es nur eine sehr begrenzte Anzahl praktikabler Lösungen, mit denen Dünnglas tatsächlich verarbeitet werden kann, ohne Abstriche bei der Qualität zu machen.
Glaswelt – Dann ist also neue Technik der Schlüssel?
Äppelqvist – Ja, eine fortschrittliche Technologie ist ausschlaggebend, um die Herausforderungen zu meistern, die sich bei 2 mm Dünnglas stellen. Mit den jüngsten Ofenanlagen wird es möglich den Glasproduzenten die notwendige Anlagentechnik bereitzustellen, die für die Realisierung der künftigen Anforderungen bei Dünnglas erforderlich sind.
Glaswelt – Und die entsprechende Anlagentechnik stellen Sie bereit?
Äppelqvist – Ja. Unser GlastonAir Flachglas-Vorspannofen stellt einen entscheidenden Durchbruch beim Vorspannen von sehr dünnen Gläsern dar. Die Anlagentechnik steht für einen vollkommen neuen Ansatz bei der Wärmebehandlung von Glas und wurde speziell entwickelt, um das dünnste wärmebehandelte Sicherheitsglas zu produzieren, das am Markt erhältlich ist. Gleichzeitig wird eine hohe Glasqualität sichergestellt.
Als Wegbereiter bei der Forschung und Entwicklung haben wir mit dem GlastonAir einige Innovationen beim Glasbehandlungsprozess eingeführt und schwierigste technische Probleme im Zusammenhang mit dem Vorspannen von Dünnglas bewältigt.
Glaswelt – Nennen Sie bitte Details?
Äppelqvist – Mit seiner speziellen Luftkissentechnologie erwärmt der Ofen das Glas auf einem homogenen Luftkissen, das für eine Qualität und für Verarbeitungsergebnisse sorgt, die mit Rollen ausgestattete Vorspannöfen nicht erreichen können. Zusätzlich senkt dieses Verfahren die Produktionskosten und den Energieverbrauch für den Verarbeiter. All dies macht die Produktionslinie zur wirtschaftlich sinnvollen Option, um dünneres Glas ohne Kompromisse bei der optischen Qualität problemlos und kostengünstig zu verarbeiten.
Glaswelt – Was raten Sie Verarbeitern, die sich mit dieser Technik vertraut machen wollen?
Äppelqvist – Am besten kommen sie zu uns nach Tampere (Finnland). Dort haben wir einen Showroom eingerichtet mit einem GlastonAir, der zu Testzwecken zur Verfügung steht. Verarbeiter können sich vor Ort ein genaueres Bild davon machen, wie unsere Technologie funktioniert und welche Ergebnisse für spezielle Anwendungen möglich sind. Dort lassen sich auch Bruchtests der vorgespannten Gläser durchführen, um die Qualität der ESG-Produkte zu prüfen. Auf der glasstec 2016 hatten wir von Düsseldorf eine Live-Schaltung in den Showroom, um die Anlage vorzustellen.
Glaswelt – Ist es richtig, dass Sie mehr als nur einen neuen Ofen anbieten?
Äppelqvist – Das stimmt. Der GlastonAir-Ofen ist in drei verschiedenen Konfigurationen lieferbar, die vielfältigste Möglichkeiten mit Dünnglas eröffnen. Der GlastonAir Batch ist für Isolier- und Brandschutzglas sowie die Hausgeräte-Gläser vorgesehen. Der GlastonAir Continuous wurde speziell für Solarglas und andere Dünnglasanwendungen mit hohen Stückzahlen entwickelt und mit dem GlastonAir Upgrade ist es möglich, jede neue oder bereits vorhandene Anlage mit der GlastonAir-Technologie aufzurüsten.
Glaswelt – Und wie schätzen Sie die Zukunft von Dünnglas ein?
Äppelqvist – Ich schätze diese positiv ein. Dünnglas wird fester Bestandteil der Verarbeitung. Es ist eigentlich nur eine Frage der Zeit, bis sich Dünnglas am Markt und in der Branche etabliert haben wird.—
Die Fragen stellte Matthias Rehberger.