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Novellierung der Glas DIN 18008

Novelle der 18008 abgeschlossen – und nun? Ein Kommentar

Obwohl viele hilfreiche Änderungen und Ergänzungen in die Norm eingearbeitet wurden, wurde vor allem eine einzige öffentlich wahrgenommen: die Ergänzung des Sicherheitskonzepts bzgl. Verglasungen unterhalb Brüstungshöhe ohne Absturzsicherung (Teil 1, Abschnitt 5.1.4).

Aber auch hier konnte schließlich Einigkeit erzielt werden, da die vom Normenausschuss zunächst favorisierte, jedoch heftig kritisierte 0,8-m-Regel verändert und um einen Verweis auf die gesetzliche Regelung des § 37 Abs. 2 Muster-/Landesbauordnung (MBO/LBO) ergänzt wurde:

5.1.4 Werden auf Grund gesetzlicher Forderungen zur Verkehrssicherheit Schutzmaßnahmen für Verglasungen erforderlich, kann dies beispielsweise durch Beschränkung der Zugänglichkeit (Abschrankung) oder Verwendung von Gläsern mit sicherem Bruchverhalten erfüllt werden. Anmerkung: Es wird auf § 37, Abs. (2) Musterbauordnung (MBO) bzw. die entsprechende Formulierung der jeweils geltenden LBO hingewiesen.

Der in Bezug genommene Absatz 2 des § 37 MBO/LBO lautet:

§ 37 Fenster, Türen, sonstige Öffnungen… (2) Glastüren und andere Glasflächen, die bis zum Fußboden allgemein zugänglicher Verkehrsflächen herabreichen, sind so zu kennzeichnen, dass sie leicht erkannt werden können. Weitere Schutzmaßnahmen sind für größere Glasflächen vorzusehen, wenn dies die Verkehrssicherheit erfordert.

Der Abschnitt 5.1.4 der Norm konkretisiert nun also nur noch, wie die „weiteren Schutzmaßnahmen“ aussehen können, die die gesetzliche Regelung fordert.

Was genau ändert sich dadurch

Zunächst einmal ändern sich dadurch die Anforderungen an die infrage kommenden Verglasungen nicht. Denn § 37 Abs. 2 MBO/LBO besteht in dieser Form bereits seit vielen Jahren (seit MBO 2002). Jedoch werden nun alle Anwender der Norm unmissverständlich darauf hingewiesen, dass in jedem Bundesland hierzu eine gesetzliche Regelung existiert, die zu beachten ist (siehe nachfolgende Tabelle).

Und dieser Hinweis ist durchaus wichtig. Denn offensichtlich wurde § 37 Abs. 2 MBO/LBO in der Vergangenheit häufig übersehen oder fehlinterpretiert. Es schien wohl die Ansicht zu herrschen, er gelte nur für öffentliche, nicht aber für privat genutzte Gebäude. Anders sind die vielen Fenstertüren in Wohngebäuden, bei denen die Kennzeichnung zur leichten Erkennbarkeit fehlt, nicht zu erklären. Dabei unterscheidet die MBO/LBO gar nicht zwischen privater und öffentlicher Nutzung. Ein kurzer Blick ins Gesetz hätte hier in der Vergangenheit für Klarheit sorgen können.

Man kann jetzt auch nicht das Rad der Zeit zurückdrehen, indem man neue Fehlinterpretationen zum o. g. Paragrafen erfindet. Beliebt scheinen aktuell folgende:

a) Mit „allgemein zugänglichen“ Verkehrsflächen seien nur die „für die Allgemeinheit zugänglichen“ gemeint.

b) Das in der MBO/LBO niedergeschriebene „öffentliche Baurecht“ würde sich „auf den öffentlichen Bereich beschränken“ und es gäbe den Sachverhalt „Freiheit des Bauens“.

Zu diesen Fehlinterpretationen lässt sich jedoch kein Beleg in der MBO/LBO oder in zugehörigen Rechtskommentaren finden (vgl. Infokasten zur Verkehrssicherheit):

Zu a) Das Gegenteil von „allgemein zugänglich“ ist nicht „privat zugänglich“, sondern „allgemein unzugänglich“.

Zu b) Die MBO/LBO zählt zum Rechtsgebiet „Öffentliches Recht“, weil dort die Rechtsverhältnisse von Staat (z. B. Baubehörde) zu Bürger (z. B. Bauherr) geregelt werden („Privatrecht“ regelt die Rechtsverhältnisse zwischen Bürgern, z. B. Auftraggebern und -nehmern). Und in der MBO/LBO existiert ebenso wenig eine „Freiheit des Bauens“, wie in der StVO eine „freie Fahrt für freie Bürger“.

Fakt ist: Die MBO/LBO gilt gemäß § 1 mit wenigen Ausnahmen für alle baulichen Anlagen. Und die Regelungen des § 37 Abs. 2 MBO/LBO gelten für alle dort definierten Verglasungen, auch für die bodentiefen größeren Verglasungen.

Wie geht es nun weiter?

Ergänzend zum Abschnitt 5.1.4 wird von diversen Verbänden aus der Glas-, Fenster- und Fassadenbranche ein gemeinsames Hinweispapier mit dem Titel „Verkehrssicherheit bei bodentiefen Verglasungen ohne Absturzsicherung“ erarbeitet, das die Glasauswahl erleichtern soll. Man sollte jedoch nicht allzu lange auf das Papier warten, da § 37 Abs. 2 MBO/LBO bereits gilt. Insbesondere da sich das Risiko einer falschen Glasauswahl auf einfachste Art und Weise vermeiden lässt, indem man für die infrage kommenden Bereiche konsequent Gläser mit sicherem Bruchverhalten empfiehlt und verwendet.

Zur Erinnerung: Die DIN 18008 definiert sicheres Bruchverhalten wie folgt:

… bei einem Bruch werden die Bruchstücke zusammengehalten und zerfallen nicht oder ein Zerfall erfolgt in eine große Anzahl kleiner Bruchstücke.

Anmerkung zum Begriff: Das Bruchverhalten von Glas gilt als sicher, wenn es die Normen für Sicherheitsglas erfüllt. Drahtglas besitzt kein sicheres Bruchverhalten.

Beispiel: Einscheibensicherheitsglas (ESG) nach DIN EN 12150-2 und DIN EN 14179-2 oder Verbundsicherheitsglas (VSG) nach DIN EN 14449 oder Glas, nachgewiesen durch Prüfung nach DIN EN 12600 mindestens Klasse 3 (B) 3 oder 3 (C) 3.

Die Veröffentlichung der Weißdrucke der beiden überarbeiteten Normteile ist für Herbst 2019 vorgesehen. Ihre bauordnungsrechtliche Einführung als Technische Baubestimmungen wird wohl nicht vor 2020 erfolgen. Unabhängig davon gilt § 37 Abs. 2 MBO/LBO bereits seit vielen Jahren.

Und die übrigen Normänderungen?

Neben der oben erläuterten werden viele weitere, mindestens ebenso wichtige Normänderungen kompakt in der BF-Information 013/2019 beschrieben. Sie steht zum kostenfreien Download auf der Homepage des Bundesverbands Flachglas www.bundesverband-flachglas.de/downloads/publikationen—

Martin Reick, Flachglas MarkenKreis

Infos zur Verkehrssicherheit

Zu allen Landesbauordnungen existieren diverse, z. T. mehrere 1000 Seiten umfassende Rechtskommentare mit bauordnungsrechtlich fundierten Antworten auf nahezu alle Detailfragen. So steht z. B. zur Verkehrssicherheit und den diesbezüglichen Flächen im Gädtke-Kommentar zur Bauordnung NRW [1]:

„Rdn. 1: (…) Erfasst werden alle Flächen, die im Allgemeinen zum Begehen und Befahren bestimmt sind, sowohl auf dem Grundstück selbst, wie z. B. Zugänge und Zufahrten, Terrassen oder Spielflächen, als auch innerhalb der oder auf den baulichen Anlagen, wie z. B. Flure, Rampen, Laubengänge, Balkone, Dachterrassen, Treppen oder Aufzüge. (…)

Rdn. 3: Die (…) geforderte Verkehrssicherheit beschränkt sich nicht allein auf die allgemein zugänglichen Verkehrsflächen in und auf den baulichen Anlagen und auf den dem Verkehr dienenden nicht überbauten Flächen der bebauten Grundstücke, sondern sie ist auch dort zu erfüllen, wo sonst Gefahren für – auch nur gelegentliche – Benutzer entstehen können (…)“

[1] Gädtke, Czepuck et al.: BauO NRW Kommentar. 12. Aufl. 2010, ISBN 978-3-8041-1835-5, S. 709 ff.

Jürgen Siebers Kommentar zum Kommentar von M. Reick

Herr Reick schreibt, dass das Gegenteil von „allgemein zugänglich“ nicht „privat zugänglich“, sondern „allgemein unzugänglich“ wäre. Somit, so seine Meinung, wäre der Begriff „allgemein zugänglich“ auch auf private Bauvorhaben anzuwenden.

Hierzu muss man zunächst den Abschnitt der MBO/LBO kennen, in dem es heißt: „§ 37 Fenster, Türen, sonstige Öffnungen…(2) Glastüren und andere Glasflächen, die bis zum Fußboden allgemein zugänglicher Verkehrsflächen herabreichen, sind so zu kennzeichnen, dass sie leicht erkannt werden können …“.

Zunächst wird von Glasflächen gesprochen, die bis zum Fußboden herabreichen. Hier stellt sich die Frage, was der Gesetzgeber mit „bis zum Fußboden“ meint. Da hier kein Abstand zum Fußboden genannt ist, bleibt Platz für Interpretation.

Dann finden sich weiter im § 37 die Worte „allgemein zugänglicher Verkehrsflächen“. Etymologisch bedeutet das Wort „gemein“ = „der Gemeinschaft gehörend“, dies stammt aus dem Lateinischen („communis“). Der Begriff „gemein“ oder „allgemein’“ wird im deutschen Sprachschatz immer dann angewandt, wenn Gemeinschaftseigentum gemeint ist. In unserem Fall wären dies öffentliche Gebäude, Versammlungsräume, Sporthallen, etc. – eben allgemein, der Gemeinschaft zugängliche Räume.

Der Gesetzgeber unterscheidet schließlich auch in Privateigentum und Gemeinschaftseigentum.

Weiter findet sich im § 37 das Wort „Verkehrsfläche“. Mit dem Begriff „Verkehr“ wird die Gesamtheit der Bewegung von Fahrzeugen, Personen, Nachrichten etc. bezeichnet. Wichtig ist hier der Sammelbegriff „Gesamtheit“. Eine einzelne Person in einer Eigentumswohnung wird ihren Weg von der Küche ins Wohnzimmer schwerlich mit „Personenverkehr“ erklären können.

Die Wortwahl im § 37 der MBO, in der von „allgemein zugänglichen Verkehrsflächen“ geschrieben wird, kann somit nur – und ausschließlich – den öffentlichen Raum meinen.

LIM Jürgen Sieber, Fachverband GFF Karlsruhe

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