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Der Kommentar

Barrieren und Gefahren am Boden, Denkfehler im System?

Es geht nicht um Lappalien, sondern um Sturzgefahren bis hin zu tödlichen Verletzungen. Die seit Jahren erfolgreich eingesetzten Problemlösungen dürfen nicht länger ausgebremst werden!

Stein des Anstoßes sind die schwer zugänglichen DIN-Normen und Richtlinien, die die „sichere“ Gestaltung bei Übergängen an Außentüren beschreiben, genauer: deren Widersprüchlichkeit. Nach der Norm für barrierefreies Bauen sind „untere Türanschläge und Schwellen nicht zulässig.“ In der Norm für das Abdichten von Bauwerken wird die Barrierefreiheit, leicht verächtlich „behindertengerecht“ bezeichnet und zum „Einzelfall“ erklärt - trotz Millionen Senioren, deren Zahl bekanntlich steigt, und die allesamt durch Türschwellen sturzgefährdet sind, und trotz weiterer Millionen Bürger mit Schwerbehinderung, die ebenfalls besser ohne Türschwellen leben würden.

Die Architekten, Handwerker und weitere Bauverantwortliche im Lande sind also zwischen widersprüchlichen Vorschriften eingezwängt. Denn sie sind laut Fachanwälten für Bau- und Architektenrecht angehalten, den „anerkannten Regeln der Technik“ zu folgen. Müssen also Entscheidungsträger im Bauwesen den „Einzelfall“ der Barrierefreiheit ignorieren und statt dessen „Regelfall“-Türschwellen verwenden? Diese können laut der Norm für Bauabdichtung bis zu 15 cm hoch sein.

Oder müssen sie sich an den Regelfall der Norm für barrierefreies Bauen halten und tatsächlich schwellenlos bauen? Doch diese Norm gilt im konventionellen Wohnungsbau nur unter ganz bestimmten bisher seltenen Voraussetzungen.

Die Frage warum trotz Verbotes und „Unzulässigkeit“ in barrierefreien Gebäuden (z.B. Anlagen des Betreuten Wohnens, Pflegeheime) bis heute gefährliche Türschwellen von bis zu zwei Zentimeter Höhe als „Regelfall“ der Praxis durchgehen, bleibt offen. Vollends absurd wird das Ganze dadurch, dass seit vielen Jahren eine alltagstaugliche Lösung existiert, die leidigen Stolperschwellen aus der Welt zu schaffen: Eine Türabdichtung, die nicht nur barrierefrei heißt, sondern es tatsächlich ist, mit null Zentimetern Höhe. Regen, Zugluft und Schall verlässlich auszusperren ist zwar knifflig, aber der deutsche Hersteller Alumat demonstriert seit Jahren, dass es geht. [...]

Auch auf der politischen Ebene ist der Handlungsbedarf klar erkannt. Deutschland hat schon vor fünf Jahren die UN-Behindertenrechtskonvention unterzeichnet. Diese fordert ein so genanntes „universelles Design“, welches „von allen Menschen möglichst weitgehend ohne eine Anpassung genutzt werden kann“. Türen ohne Stolperschwellen passen exakt auf diese Vorgabe.

Nur die Arbeitsausschüsse der DIN-Normen tun sich anscheinend noch schwer. Sie verschanzen sich hinter dem Grundsatz, dass ihre Vorschriften nicht einzelnen Akteuren ein Monopol verschaffen dürfen – was im Grundsatz ja auch sinnvoll ist, um den Wettbewerb um die beste Lösung zu stimulieren. Doch was, wenn die übergroße Mehrheit einer Branche gar keine Lust verspürt, Innovationen zu entwickeln, weil der bequeme Status Quo von technisch überholten Vorschriften geschützt wird? Spätestens dann sollten sich die Normhüter auf einen weiteren Grundsatz ihrer Tätigkeit besinnen, der besagt: „Durch die Normung wird eine planmäßige, durch die interessierten Kreise gemeinschaftlich durchgeführte Vereinheitlichung von materiellen und immateriellen Gegenständen zum Nutzen der Allgemeinheit erreicht.“

Es gibt mindestens acht Gründe zu handeln:

  1. demographiegerechter Wohnraum
  2. Sofortiger Baustopp von unnötigen Sturzgefahren bei Außentüren
  3. Gestaltung von disziplinübergreifenden Normen, die die Nutzung von vorhandener Innovation für Schwellenfreiheit zukunftsorientiert fördern
  4. Vermeidung von wirtschaftlichem Schaden
  5. Verhinderung von unfairem Wettbewerb und fragwürdigen wirtschaftlichen Sondervorteilen von Anbietern technisch überholter Lösungen
  6. Anpassung der DIN 18195 an den aktuellen Bedarf
  7. Anpassung von Normen und Richtlinien nach der UN-Behindertenrechtskonvention – Universelles Design für alle
  8. Die Forderung nach universellem Design und dem Stand der Technik in der Normengestaltung auch bei Duschen

Diese acht Gründe wurden in einem sechsseitigen Schreiben an das Deutsche Institut für Normung e.V. genau erläutert und am 04.05.14 versendet.

Initiatorin und Ansprechpartnerin für diese Informationskampagne „Schwellenfreiheit in Gebäuden – Zeit vorhandene Innovationen zu nutzen“: Ulrike Jocham, Dipl.-Ing. in Architektur, Heilerziehungspflegerin und selbsternannte Brückenbauerin zwischen verschiedenen Disziplinen/interdisziplinäre Expertin mit Schnittstellenkompetenz

www.inklusiv-wohnen.de

Hinweis der Redaktion: Die Barrierefreiheit und das Universal Design werden wir in der kommenden Juliausgabe eingehend als Topthema behandeln. Die Ausgabe ist am 04. Juli verfügbar.