_ Die Anforderungen an ein modernes Fenstersystem und einen funktionalen Baukörperanschluss sind in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Begründet ist dieser Anstieg durch gesetzliche Verordnungen, Normen und Richtlinien. Diese Regelwerke haben einen direkten Einfluss auf das Produkt Fenster und den Anschluss des Elementes an angrenzende Bauteile in Bezug auf den Wärme-, Schall- und Einbruchschutz. Dieses erhöhte Anforderungsprofil an das Fensterelement und den Baukörperanschluss setzt bei den Produzenten und Monteuren ein fundiertes Grundlagen- und Fachwissen voraus.
Überhöhtes Anspruchsdenken der Kunden
Gleichzeitig sehen sich die Betriebe häufig mit dem Halbwissen der Kunden, das diese aus dem Internet beziehen, konfrontiert. Eine Folge ist, dass Kunden häufig Anforderungen an die zu erbringenden Arbeiten des Montagebetriebs stellen, die teilweise vertraglich nicht vereinbart worden sind und zudem einen unverhältnismäßigen und nicht realisierbaren Qualitätsanspruch beinhalten. Aufgrund des überhöhten Anspruchsdenkens der Kunden ist die Zahl der Reklamationen in den letzten Jahren stetig angestiegen. In einigen Fällen versuchen Auftraggeber, steigende Baukosten durch die Einbehaltung von fälligen Restzahlungen nach erbrachter Handwerksleistung und Rechnungslegung zu kompensieren. Begründet wird der Einbehalt dann durch angebliche „Mängel“, die jedoch aus technischer und fachlicher Sicht unbegründet sind. Die Folge sind in vielen Fällen Rechtsstreitigkeiten, welche jedoch in keinem wirtschaftlichen Verhältnis zu den anfallenden Gerichts- und Anwaltskosten stehen.
Kunden klagten über Zugluft
Vor allem eine Frage taucht bei Kunden immer wieder auf: Wie dicht darf bzw. muss ein Fenster sein? So kommt es häufig nach der Montage von neuen Fenstern vor, dass der Kunde Zugerscheinungen am Fenster bemängelt. Der Beweis wird dann beispielsweise mittels eines Feuerzeuges bzw. einer brennenden Kerze durch den Kunden erbracht. Gelegentlich werden auch Blower-Door-Messungen vom Kunden in Auftrag gegeben, die Luftundichtheiten an Fenstern und Türen aufspüren sollen, was aber nicht den allgemein anerkannten Regeln der Technik (a. a. R. d. T.) entspricht. Das Differenzdruck-Messverfahren (Blower-Door) dient zur Messung der Dichtigkeit von kompletten Gebäuden und zum Auffinden lokaler Leckagen bzw. Fehlstellen in der Gebäudeumschließungsfläche. Es ist nicht dazu geeignet, Aussagen über eine ausreichende Dichtigkeit von Fenstern und Türen zu treffen, da es nicht zur Bestimmung der Luftdurchlässigkeit einzelner Bauteile eingesetzt werden kann.
Was sind anerkannte Regeln der Technik?
Der Auftraggeber hat selbstverständlich ein Recht auf eine mangelfreie Leistung und auf das Einhalten der a. a. R. d. T. Diese können unter anderem in den Normen, Gesetzes-Richtlinien und Verarbeitungshinweisen der Hersteller nachgelesen werden. Wenn es um Fenster geht, wird zwischen der Dichtheit zwischen Blendrahmen und Mauerwerk sowie zwischen Blendrahmen und Flügel unterschieden. Die Anforderungen an die Dichtheit zwischen Blendrahmen und Flügeln werden schon seit vielen Jahren in der Energieeinsparverordnung und in weiteren Normen geregelt.
Hier gilt, dass die maximale Fugendurchlässigkeit für Gebäude mit bis zu zwei Vollgeschossen der Klasse zwei und mit mehr Geschossen der Klasse drei entsprechen muss. Die Klassen werden nach der DIN EN 12207 eingeteilt: In der Klasse drei beispielsweise dürfen (9 m³/(h*m²) Luft auf die Fläche bzw. 2,25 m³/(h*m), bezogen auf die Fugenlänge, ausgetauscht werden. Die Klassifizierung erfolgt in der EN 12207 und EN 14351-1 nach dem Mittelwert – bezogen auf die öffenbare Fugenlänge und auf die Gesamtfläche des Fensters. Das entspricht bei einem Fenster von 1 m × 1 m einem Volumen von 9 m3.
Seit dem 1. Februar 2010 gilt die Produktnorm DIN EN 14351-1 für Fenster und Haustüren. Damit verbunden ist die Angabe von Leistungseigenschaften für die gelieferten Bauprodukte. Unter anderem wird die Luftdichtheit vorgegeben. Die Erfahrung zeigt, dass fachgerecht gefertigte Fenster mit einer Mitteldichtung ohne Probleme die Klasse vier erreichen. Damit sind die Anforderungen an die Dichtheit zwischen Blendrahmen und Flügel i. d. R. erfüllt.
Anforderungen an die Bauanschlussfuge sind in der VOB, Teil C, DIN 18355 Tischlerarbeiten definiert. Unter 3.5.3 steht dort: „Anschlussfugen sind innenseitig dauerhaft luftundurchlässig abzudichten.“ Darüber hinaus gibt der Leitfaden zur Montage vor, dass gebrauchstaugliche bzw. geprüfte Abdichtungssysteme mit einem a-Wert < 0,1 m3 (m h daPa (2/3)) zu verwenden sind. Um die Luftdichtheit herzustellen, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, wobei hier zwischen Alt- und Neubau unterschieden wird.
Sitzecke am Fenster
Welche möglichen Ursachen Zugerscheinungen zur Folge haben, ist den meisten Kunden nicht bekannt. In einem Fall hatte ein Betrieb Fenster für eine neue Eigentumswohnung gefertigt und dort montiert. Der Kunde stellte seine Sitzecke mit dem Rücken zu den Fenstern. Er klagte anschließend über Zugerscheinungen, die dort auftraten, und verlangte Nachbesserung.
Eine vom Kunden gewünschte Blower-Door-Messung ergab für die gesamte Wohnung einen Luftaustausch pro Stunde von 0,1 h–1. Die EnEV erlaubt einen Austausch bis 3 h–1. Die eingebauten Fenster hatten einen UW–Wert von 1,3 W/m2K und erfüllten damit die a. a. R. d. T.
Das Phänomen, dass die Kunden einen Luftzug spüren, hängt in diesem Fall mit den raumseitigen Oberflächentemperaturen des Fensterelementes zusammen: Bei 20 °C Raumtemperatur haben die Glasscheiben eine Oberflächentemperatur, die nur zwischen 12 bis 14 °C liegt.
Großen Einfluss auf die Behaglichkeit in einem Raum hat aber die sogenannte Empfindungstemperatur, die sich aus dem Mittel zwischen Oberflächen- und Lufttemperatur zusammensetzt. Bei 20 °C Raumtemperatur und 12 bis 14 °C auf der Verglasung fühlen sich die Bewohner unbehaglich kalt. Diese Empfindung verstärkt sich mit zunehmender Größe der Fensterflächen und wird stärker, je näher eine Person sich am Fenster aufhält. Diesen Effekt kann man auch bei alten Mauern beobachten, die einen geringen U-Wert haben (siehe Grafik).
Niedrige Oberflächentemperaturen an den Bauteilen müssen durch erhöhte Lufttemperaturen kompensiert werden. Sowohl für die Behaglichkeit als auch für den Heizenergiebedarf ist es günstig, wenn die Lufttemperatur relativ niedrig, die Oberflächentemperatur der raumumschließenden Bauteile aber relativ hoch ist. Dies leisten gut gedämmte Bauteile, wie sie bei energieeffizienten Gebäuden Standard sind.
In diesem Fall wurden die Einflussfaktoren in einer technischen Auskunft erläutert und den beteiligten Partnern zugesandt. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Darstellung des Sachverhalts häufig dazu beiträgt und dazu führen kann, dass Zahlungseinbehalte beglichen bzw. Unstimmigkeiten ausgeräumt werden – wie auch in diesem Fall.—