_ Bei Structural-Sealant-Glazing (SSG) wird die Verglasung über eine linienförmige Klebung mit einem Tragrahmen oder einem Adapterprofil aus Metall verbunden. Für diese Systeme werden hochwertige Silikonklebstoffe verwendet. Solche geklebten Verglasungen sind nicht durch die gültigen technischen Baubestimmungen geregelt. Die eingesetzten Klebstoffe benötigen deshalb einen Nachweis der Verwendbarkeit, etwa über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung. Die europäische Leitlinie ETAG 002 ist hierbei ein wichtiges Instrument. Diese Leitlinie beschreibt u. a die erforderlichen experimentellen Tests für die Zulassung einer geklebten Fassadenkonstruktionen. Hersteller weisen die Anwendbarkeit eines Silikon-geklebten Fassadensystems über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung nach.
SSG-Fassadenelemente werden im Werk vorgefertigt und dann auf der Baustelle montiert. Als Hersteller des Systems gilt die Firma, die die Bauart in Verkehr bringt. Im Allgemeinen erhält diese auch die Zulassung. Dabei müssen die Hersteller kontinuierlich die werkseigene Produktion kontrollieren. Dies umfasst die Überprüfung der eingesetzten Basismaterialien und Komponenten auf Übereinstimmung mit den Vorgaben der Zulassung sowie eine ausführliche Dokumentation.
Weiter sind arbeitstägliche Kontrollen an Klebstoffproben durchzuführen und die fertigen Elemente einer Sichtprüfung zu unterziehen. Damit soll sichergestellt werden, dass das Produkt konform zur europäischen technischen oder zur allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung gefertigt wird.
In regelmäßigen Abständen muss die werkseigene Produktionskontrolle durch eine fremdüberwachende Stelle kontrolliert werden.
Der Turnus wird in der Systemzulassung festgelegt und beträgt in der Regel sechs Monate. Die Überwachungsstelle benötigt eine entsprechende Anerkennung durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt).
Überwachung auf der Baustelle
Bestimmte Verglasungen lassen sich aufgrund ihrer Größe oder ihres Konstruktionstypus nicht im Werk verkleben. Dazu zählen u. a. geklebte Ganzglaskonstruktionen oder Glasecken aus Isolierglas (Bild 01).
Auf der Baustelle kommt der Einhaltung der Verarbeitungsbedingungen eine besondere Bedeutung zu, da Temperatur und Luftfeuchtigkeit nicht steuerbar sind und die Verschmutzungsgefahr sehr hoch ist. Hier obliegt dem Monteur eine hohe Verantwortung. Eine entsprechende Schulung durch den Klebstoffhersteller wird zwingend vorausgesetzt.
Tragende Silikonklebungen, die auf der Baustelle ausgeführt werden, lassen sich nur über eine Zustimmung im Einzelfall realisieren. Daher werden die erforderlichen Überwachungs- und Qualitätssicherungsmaßnahmen individuell vorgegeben. Die oberste Landesbauaufsichtsbehörde, die die Zustimmung erteilt, benennt die Überwachungsstelle. Diese kontrolliert meist stichprobenartig die Einhaltung der Herstellervorgaben und überprüft die Konstruktion auf Übereinstimmung mit den Planunterlagen.
Der Antragsteller ist verpflichtet, die in der Zustimmung geforderten Unterlagen und Nachweise vorzulegen. Nach Maßgabe kann die Überwachungsstelle weitere Anforderungen stellen. Die Klebfugengeometrie und die geplante Verfahrensweise müssen im Rahmen einer Projektprüfung durch den Klebstoffhersteller freigegeben werden. Sämtliche Materialien, die in Kontakt mit dem Klebstoff kommen, sind vorab einer Verträglichkeitsprüfung zu unterziehen.
Die effektive Tragfähigkeit der Klebeverbindung wird häufig an gesonderten Arbeitsproben ermittelt. Ist der Klebstoff einmal ausgehärtet, kann die Qualität der Klebefuge nur sehr schwer zerstörungsfrei überprüft werden. Daher werden die Qualitätskontrollen zur Mischqualität und zur Haftung parallel zu den Klebearbeiten durchgeführt. Anhand der Ergebnisse aus Versuchen an diesen Proben lassen sich Rückschlüsse auf die tatsächliche Klebefuge treffen.
Prüfung der Mischqualität
Die Mischqualität der 2-K-Klebstoffe hat erheblichen Einfluss auf die Eigenschaften der Klebverbindung. Daher ist es unerlässlich, bei jedem Produktionsbeginn und nach einem Wechsel der Klebstoffkomponenten die ausreichende Durchmischung zu kontrollieren. Zwei Verfahren haben sich etabliert und können alternativ angewendet werden: der Schmetterlingstest und der Glasplattentest. Bei beiden wird ein dünner Film des Gemischs visuell auf Schlieren oder Einschlüsse untersucht. Eine inhomogene Klebstoffmischung darf grundsätzlich nicht verwendet werden. Die Mischanlage muss dann überprüft und gegebenenfalls einzelne Komponenten ausgetauscht oder neu kalibriert werden.
Ein Indikator für das richtige Mischverhältnis ist die Topfzeit. Das ist die Zeitspanne, nach der die Reaktion der beiden Klebstoffkomponenten so weit fortgeschritten ist, dass der Klebstoff keine ausreichende Haftung zur Fügeteiloberfläche mehr aufbauen kann, oder eine zu hohe Viskosität eine Applikation unmöglich macht. Abweichungen der gemessenen Topfzeiten von den Herstellervorgaben deuten auf ein falsches Mischverhältnis hin. Allerdings kann eine verlangsamte Aushärtung auch auf eine falsche Lagerung des Klebstoffes vor der Verarbeitung zurückzuführen sein.
Haftung im Schäl-Haftversuch
Der Schäl-Haftversuch, der häufig auch als Peel-Test oder Raupenschältest bezeichnet wird, liefert aussagekräftige Ergebnisse zur Bewertung der Haftung zwischen dem Klebstoff und der Fügeteiloberfläche. Der Test erfordert nur einen geringen technischen Aufwand und eignet sich gut für die tägliche Produktionskontrolle sowie Qualitätskontrollen auf der Baustelle.
Für den Versuch werden die gleichen Produkte wie im ausgeführten System verwendet. Die Reinigung und die Oberflächenvorbehandlung müssen ebenso der tatsächlichen Prozedur entsprechen. Auf die Probenoberfläche wird eine etwa 20 cm lange Klebstoffraupe aufgebracht. Nach etwa einem Tag wird dann ein Ende des Stranges von der Oberfläche gelöst und nach hinten gezogen, bis der Klebstoff durch die starke Schälbeanspruchung am Ansatzpunkt aufreißt (Bild 02). Der Klebstoff muss bei diesem Test vollständig auf der Substratoberfläche haften bleiben und darf sich nicht – auch nicht teilweise – von der Oberfläche lösen.
Sollte der Versuch keine zufriedenstellenden Ergebnisse liefern, so darf er nach einer weiteren Aushärtungszeit wiederholt werden (passend sind 24 Stunden). Haftet der Klebstoff auch nach mehreren Tagen noch nicht ausreichend auf der Substratoberfläche, ist der Haftungsaufbau der Klebstoffmischung mit hoher Wahrscheinlichkeit gestört. Die Verglasungselemente dürfen dann keinesfalls ausgeliefert oder belastet werden.
Haftung im Zugversuch
Alternativ kann die Haftung auch an H-Proben überprüft werden. In diesem Versuch lässt sich zusätzlich die Zugfestigkeit der Verbindung bestimmen. Die H-Prüfkörper bestehen aus zwei kleinen parallelen Substratplatten, die über eine 50 mm lange, 12 mm breite und 12 mm dicke Klebefuge verbunden sind.
Auch hier müssen die Prüfkörper den Materialkombinationen der tatsächlichen Konstruktion entsprechen und werden im Zugversuch bis zum Versagen getestet (Bild 03). Abhängig von den Herstellervorgaben und dem Material – 2-K-Silikone härten schneller aus als einkomponentige Silikone – kann der erste Versuch bereits nach einem bis drei Tagen erfolgen. Die Prüfkörper zur mechanischen Festigkeitsbestimmung (gefordert nach ETAG 002) härten allerdings grundsätzlich 28 Tage aus, bevor sie getestet werden.
Die im Zugversuch ermittelte Bruchfestigkeit muss über dem vorgegebenen Mindestwert des Herstellers liegen. Eine weitere Bedingung ist ein vollständig kohäsives Versagensbild. Erst dann dürfen die Elemente transportiert oder belastet werden.
Erreichen die Prüfergebnisse auch nach längerer Aushärtungsdauer nicht die Mindestwerte, ist die Klebverbindung nicht ausreichend tragfähig. In diesem Fall müssen die betroffenen Fugen erneuert werden.
Ausblick
Eigenüberwachung und Fremdüberwachung von Verklebungen im Rahmen von allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen (abZ) gehören zu den regelmäßig wiederkehrenden Aufgaben, denen sich der Verarbeiter stellen muss. Tragende Verklebungen, die eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) erfordern, müssen vorab sehr sorgfältig geplant werden. Dies gilt auch hinsichtlich der Prüfung und der Überwachung. Hier können die deutschen Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstellen (PÜZ-Stellen) bereits im Planungsprozess eingebunden werden und wertvolle Hilfestellung leisten.—
Die Autoren
Prof. Dr. Bernhard Weller ist Leiter des Instituts für Baukonstruktion an der TU Dresden.
Felix Nicklisch ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter der Überwachungsstelle SAC23.