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Chancen und Risiken von geklebten Fenstersystemen aus Sicht des Isolierglasherstellers

Allheilmittel Kleben im Falz?

Als Vorteile werden u.a. genannt: Glas und Rahmen als Verbund, bessere Wärmedämmwerte, schlankere Profile, größere Rahmen, für Holzfenster Witterungsschutz des Holzes durch Glas, maschinelle Verarbeitungsmöglichkeiten – z.B. mit Robotern anstelle der manuellen Verklotzung –, Zugewinn von Tageslicht durch größere Glasflächen, bessere Einbruchsicherheit, höhere Wertschöpfung, kein Verbiegen von Profilteilen durch falsches Verklotzen. Kurz gefasst heißt dies, das neue Konstruktionsprinzip Verkleben bringt rationellere Fertigungsmethoden und verbesserte Produkteigenschaften für das Fenster. Dies ist im Prinzip richtig – allerdings wurden die Isolierglashersteller in diese Diskussion auffallend wenig einbezogen.

Glas übernimmt tragende Funktion

In Tragkonstruktionen und im Verbund wirkende eingeklebte Glasscheiben haben in anderen Technologien schon lange Einzug gehalten. Genannt seien hier die Automobiltechnik, Flugzeuge oder die ICEs der Bahn. In der Fassadentechnik hat sich die Structural-Glazing Fassade, wenn auch mit mechanischer Sicherung, seit Jahrzehnten etabliert. Isolierglashersteller sind allerdings jetzt häufiger gefordert, Erklärungen darüber abzugeben, welche Verglasungen sich für das Kleben eignen – mit damit verbundenen Fragen der Gewährleistungshaftung. Man muss sich bewusst sein, dass das Isolierglas in diesen Systemen anderen und auch zusätzlichen Belastungen ausgesetzt wird. Es sind dazu verschiedene Detailfragen zu Verträglichkeiten verschiedener Materialien, Lasten auf das Glas und den Randverbund sowie die Randbedingungen des Glasfalzes zu klären.

Die Bedingungen des Einbaues von Isolierglas in Rahmenkonstruktionen sind beschrieben durch die DIN- und EN-Normen, die technischen Richtlinien der Fachverbände und Institute und die Verglasungsrichtlinien der Hersteller. Die Grundforderungen beruhen auf einem außen und innen dichten Verglasungssystem, dichtstofffreien und nach außen orientierten Dampfdruckausgleich des Falzraumes und einer definierten Lastabtragung der Scheibe(n).

Daran binden Isolierglashersteller ihre Gewährleistungsaussage für Isolierglas hinsichtlich einer klaren Durchsicht für einen Zeitraum von fünf Jahren. Derzeit existieren für die Verklebung statisch wirksamer Konstruktionssysteme keine Regelvorgaben hinsichtlich der Bauarten und der zu verwendenden Bauprodukte. Der Einsatz dieser Technik setzt eine baubehördliche Zustimmung im Einzelfall (ZiE) bzw. eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (AbZ) voraus. Fensterrahmen, in die eine Isolierglasscheibe eingeklebt wird, stellen ein eigenes, neues System dar. D.h., Glas kann nicht in einen herkömmlichen Rahmen anstelle einer üblichen Verglasung mit Vorlegeband und Versiegelung bzw. Dichtprofilen einfach geklebt werden.

Es kann als bekannt vorausgesetzt werden, dass eine Isolierglasscheibe im Rahmen erst die Tragfähigkeit eines beweglichen Flügelrahmens sicherstellt. Die punktuelle Lasteinleitung als Lastdiagonale erfolgt über eine öffnungsartabhängige Klotzanordnung. Bei der Klebetechnik wird im Gegensatz zum Klotzen eine lineare Verbindung zwischen Glas, Randverbund und Rahmen geschaffen. Das Glas und der Randverbund müssen in diesem Fall eine tragende Funktion übernehmen; d.h., dass Kräfte in Abhängigkeit der Klebfugenanordnung einwirken, die weder der Glashersteller noch der Isolierglashersteller kennen. Glas und Randverbund dieser Isoliergläser müssen also entsprechend dimensioniert werden – Standard-Isoliergläser sind erfahrungsgemäß den so entstehenden zusätzlichen Belastungen nicht gewachsen. Und sie sind i.d.R. auch diesbezüglich nicht geprüft. Betrachtet man zudem noch die vielen Einflussparameter eines Fenstersystems, wie Öffnungsarten, Glasgrößen, Scheibendicken, Gewicht und Scheibenzwischenräume von Isolierglas, bleiben doch viele Fragezeichen.

Bewertung der üblichen Konstruktionsarten

Es gibt heute verschiedene Konstruktionsarten, eine lineare Klebeverbindung zwischen Rahmen und Glas herzustellen. Die einfachste ist die Klebfuge ein- oder beidseitig an den Glasflanken, ähnlich einer traditionellen Glasabdichtung mit spritzbaren Dichtstoffen. Auch ein Stufen-Isolierglas bietet eine problemlose Anbindung an die Rahmenkonstruktion. Als problematisch ist eine Falzgrundverklebung zum Randverbund zu betrachten. Alle Formänderungen des Profils, mechanisch oder thermisch verursacht, werden direkt in den Randverbund eingeleitet und belasten diesen zusätzlich. Die Lasteinleitung in das Glas als aussteifendes Element erfolgt über den Umweg des elastischen Randverbunds. In der Ausführung ist die lunkerfreie Ausfüllung des Falzgrundes und auch die Möglichkeit des Dampfdruckausgleiches nach außen zu beachten.

Aus der Sicht eines Isolierglasherstellers sind verschiedene Voraussetzungen für alle Klebesysteme zu erfüllen: Die Eigengewichtsabtragung der Isolierglasscheibe ist nur über eine Verklotzung zu lösen. Besonderheiten der verschiedenen Rahmenmaterialien wie z.B. Quell- und Schwindbewegungen von Holz, sind zu beachten. Die Prüfung auf Verträglichkeit und dauerhafte Funktion aller zum Einsatz kommenden Komponenten ist unabdingbar. Ohne eine entsprechende Zulassung sollten verschiedene Materialien, die nicht geprüft sind, nicht miteinander kombiniert werden. Die aus dem Rahmensystem in den Randverbund und die Verglasung eingeleiteten Kräfte dürfen nicht die Haftung der Dichtstoffe an Glas und Abstandhalter und das Rückstellvermögen der Dichtstoffe schädigen. Da das Glas als Diagonalaussteifung wirkt, sind die einzuleitenden Kräfte in Abhängigkeit des Fenstersystems mit Größen, Öffnungsarten und Verglasungsart zu definieren.

Die Gewährleistungsfrage

Es müssen viele Funktionen aufeinander abgestimmt sein, damit ein System „geklebtes Fenster“ dauerhaft und lange funktioniert. Konstruktionen, die durch die beschriebenen Regelwerke nicht abgedeckt sind, wie z.B. punktgehaltene Fassaden, Structural-Glazing-Systeme oder eben die neuen Verglasungstechniken, sind nicht allgemein beschrieben und bedürfen spezieller Beurteilungen. Als Beurteilungsgrundlage für eine Aussage zur Einhaltung der Gewährleistung Isolierglas sind mechanische und klimatische Bauteilprüfungen des Fenstersystems Voraussetzung – wie sie auch für die CE-Kennzeichnung und RAL-Nachweise Fenster Voraussetzung sind. Es bedarf jedoch weiterer Ergänzungen für das System Isolierglas. Die Entscheidung über die Wirksamkeit und Eignung der gewählten Maßnahmen kann nur durch die ausführende Fensterbaufirma, bzw. den Systemgeber beurteilt werden, da diese die Funktionsfähigkeit des Gesamtsystems Glas und Konstruktion sicherstellen müssen. Von einer Übertragbarkeit der Gewährleistung „Standardisolierglas“ für Fenstersysteme mit Klebetechnologie ist abzuraten.

Fazit

Das Kleben von Isolierglasfenstern bringt zweifelsfrei eine Reihe von Vorteilen. Wie der Endkunde davon profitiert, bleibt abzuwarten. Es sind z.B. noch offene Fragen der Reparaturverglasung zu beantworten. Die angeführten Argumente, diese Technik sei sicher und ausreichend geprüft, beziehen sich häufig allerdings auf die Automobilindustrie, Flugzeuge, etc., wo das Kleben schon seit Jahren – wie auch in anderen Funktionen – angewandt wird. Eine bedingungslose Übertragbarkeit sei deswegen in Frage gestellt. Zum Nachweis der Funktionsfähigkeit der Systeme unter Einbeziehung des Isolierglases sind zusätzliche Bauteilprüfungen erforderlich. Systemabgrenzungen nach Größe, Gewicht, Glasaufbau, usw. sind also immer notwendig. Und da weder der Isolierglas- noch der Glashersteller bei dem neuen System „geklebte Fenster“ zur Verantwortung gezogen werden kann, haftet immer der Fensterbauer. Um diesem mehr Sicherheit beim Verkleben zu geben, ist eine Erweiterung der Verglasungsrichtlinien notwendig, welche die bislang nicht erklärten und geprüften Punkte verbindlich klärt.|

Das Kleben von Isolierglasfenstern bringt eine Reihe von Vorteilen. Zum Nachweis der Funktionsfähigkeit der Systeme unter Einbeziehung des Isolierglases sind jedoch zusätzliche Bauteilprüfungen erforderlich.
Das Kleben von Isolierglasfenstern bringt eine Reihe von Vorteilen. Zum Nachweis der Funktionsfähigkeit der Systeme unter Einbeziehung des Isolierglases sind jedoch zusätzliche Bauteilprüfungen erforderlich.

Autor

­Wolfgang Böttcher im Technisches Marketing, von Saint-Gobain Glass Deutschland tätig.

Tel. (02 41) 5 16 - 28 74

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