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Ausbildung als Grundlage für erfolgreiche Fachbetriebe

Aus- und Weiterbildung müssen der technischen Entwicklung folgen

_ Im einem Interview mit dem „handwerk magazin“ erklärt der Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin, dass der zunehmende Akademisierungswahn unserer Gesellschaft weitreichende Folgen zeigen werde. Der Professor an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität sieht nicht nur die Zukunft unseres Industriestandorts gefährdet, sondern sieht durch diese Entwicklung auch das duale Ausbildungssystem insgesamt in Gefahr. Die Anzahl der Menschen, die eine Lehre beginnen, und die Anzahl der Menschen, die ein Studium beginnen, ist seit 2013 etwa gleich hoch. „Wenn dieser Akademisierungstrend anhält, lässt sich dieser deutsche Sonderweg, nämlich nach wie vor genuines Industrieland zu sein, nicht aufrechterhalten“, so Nida-Rümelin. „Kommen noch steigende Abiturientenzahlen hinzu, dann bleiben im dualen System und in der beruflichen Bildung generell nur noch 30 Prozent, vielleicht sogar nur 25 Prozent eines Jahrgangs“, sagt Nida-Rümelin und resümiert, dass das deutsche, österreichische und schweizerische Modell der beruflichen Bildung einen solchen Aderlass nicht unbeschadet überleben werde und somit vermutlich nicht überlebensfähig sei.

Handwerk als Wertegefüge in der Gesellschaft

In einer Zeit, in der das Handwerk im Fernsehen vornehmlich als Abzocker bei Reparaturarbeiten an Waschmaschine & Co dargestellt wird, ist es sicher nicht verwunderlich, dass viele Jugendliche eine handwerkliche Ausbildung erst gar nicht in ihre Überlegungen zur Berufswahl einfließen lassen. Die einst stolzen Handwerkerzünfte haben nicht zuletzt auch wegen der Meisternovelle im Jahr 2004 sichtlich an Potenzial verloren. Der interne Kampf um die Auszubildenden zwischen den verschiedenen Handwerksberufen, gewinnen die etablierten Berufe wie Kfz-Mechatroniker, Elektriker & Co. und schöpfen so in der Regel die Schüler von guten Noten ab. Die staatliche Berufsberatung schließt dabei den Kreis und vollendet die Misere, wenn es für Berufe wie den Rollladen- und Sonnenschutzmechatroniker um die Wurst, sprich um die Auszubildenden geht. Dem Handwerksmeister darf man da nicht immer böse sein, wenn er sich in seinem täglichen Wahnsinn nicht auch noch mit vermeintlich zu erwartenden Problemen bei der Ausbildung auseinandersetzen will und lieber nicht ausbildet.

Bietet das Handwerk eine Zukunft?

Betrachtet man die Betriebe die ausbilden etwas intensiver, so merkt man sehr schnell, dass die Qualität und Vielseitigkeit dieser Unternehmen meistens sehr gut passt. Hier hat man verstanden, dass der qualifizierte Mitarbeiter der Schlüssel zum Erfolg ist und für Nachwuchs gesorgt werden muss, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Richtlinien, Normen, Vorschriften, ständige Produktweiterentwicklungen und nicht zuletzt das Thema Smart Home machen das Thema Aus-, Fort- und Weiterbildung eigentlich unumgänglich und so entwickeln sich viele Parallellandschaften, mit denen die Qualifikationen von Fachbetrieben und deren Mitarbeiter sichergestellt werden sollen. Allen voran hat die Herstellerindustrie hier in vielen Bereichen das Zepter in die Hand genommen und investiert in Fort- und Weiterbildung, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Klare Indizien für die Zukunft im Handwerk, denn bei aller Rationalisierung und Automatisierung der Herstellungsprozesse, werden die Produkte wie Rollladen etc. auch in Zukunft von Hand eingebaut und müssen vorher entsprechend geplant und beraten werden.

Die GLASWELT wird sich in ihren kommenden Ausgaben mit dem Thema Fachkräftemangel intensiv auseinandersetzen und über die Dialoge mit Herstellern, Fachbetrieben, Schulen und Verbänden berichten. Erste Stimmen zum Thema Ausbildung finden Sie schon in dieser Ausgabe. —

Olaf Vögele

Im Interview mit Bernhard Lucas

Das Unternehmen BeluTec aus Lingen befasst sich mit der Herstellung von Toren, Hebefaltladen und Sonderkonstruktionen.

GLASWELT – Als klassischer Torhersteller ist man ja mit dem Thema Sicherheit sehr stark in Berührung. Wie gehen Sie mit den ständigen Änderungen um?

Bernhard Lucas – Die Änderungen wirken sich bei uns auf so ziemlich alle Bereiche aus. Egal ob Konstruktion, eigene Herstellung, Abnahmen durch Prüfstellen, unsere eigenen Monteure oder die Fachpartner. In allen Bereichen müssen wir unsere Schulungsmaßnahmen ständig anpassen?

GLASWELT – Wie sehen die Schulungsmaßnahmen in Ihrem Unternehmen denn aus?

Lucas – Das fängt mit festen wöchentlichen Besprechungsterminen in den verschiedenen Arbeitsteams an. Hier werden die Mitarbeiter in den Bereichen Konstruktion, Fertigung und Vertrieb schnellstmöglich mit Änderungen bei Vorschriften etc. vertraut gemacht. Kunden schulen wir mit eigenen Veranstaltungen, wozu auch die Ausbildung von Sachkundigen für Tore gehört. Die Grundlagen im Unternehmen schaffen wir mit der Berufsausbildung von Mitarbeitern an den Schlüsselstellen Konstruktion und Fertigung.

GLASWELT – Sie bilden in mehreren Bereichen aus?

Lucas –  Natürlich allen voran im handwerklichen Bereich, denn unsere Produkte entstehen letztlich ja in der Werkstatt. Und gerade hier haben wir die größten Probleme qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Deshalb bilden wir hier in mehreren Berufen zur Zeit insgesamt sieben Auszubildende zum Mechatroniker, Elektroniker und Konstruktionsmechaniker aus. Zusätzlich bilden wir für den Bereich Entwicklung, Konstruktion und Arbeitsvorbereitung fünf junge Leute zum Technischen Systemplaner (früher Technischer Zeichner) aus. Zusammen mit zwei weiteren kaufmännischen Auszubildenden erreichen wir zur Zeit eine Ausbildungsquote von 14 % bei unserer Belegschaft. In der Regel werden alle Auszubildenden bei uns übernommen. Für mich der Schlüssel zum Erfolg.

Im Interview mit Stefan Orth

Beck+ Heun unterhält mehrere Standorte und gilt als Marktführer im Bereich des klassischen Rollladenkastens. Dieser Sektor wurde massiv ausgebaut, um den Anforderungen der EnEV Folge gerecht zu werden.

GLASWELT – Das einst so ruhige Thema Rollladenkasten entwickelt sich zum Hightech-Thema. Hat das Einfluss auf die Qualifikation Ihrer Mitarbeiter?

Stefan Orth – Innovative Produkte wie Rollladenkästen unterliegen einer ständigen Weiterentwicklung, um den Ansprüchen der Planer und den bauphysikalischen Rahmenbedingungen zu entsprechen. Das ist nur umsetzbar, wenn in allen Bereichen der Wertschöpfungskette qualifizierte und motivierte Mitarbeiter zur Verfügung stehen. Lebenslanges Lernen ist eine Grundvoraussetzung. Hierzu wurde die innerbetriebliche Weiterbildungsstätte „Campus“ eingerichtet. Ein Baustein, hier im Zuge des Fachkäftemangels junge Nachwuchsleute auch für das Rollladengewerk gewinnen zu können, ist für Beck+Heun eine Schulpatenschaft mit umliegenden Mittelpunktschulen.

GLASWELT – Wie unterstützen Sie da Ihre Fachhändler für die immer komplexere Beratung vor Ort?

Orth – Dieser Campus ist nicht nur für Mitarbeiter eingerichtet worden. Auch Fachhändler können sich zu dem umfangreichen Schulungsprogramm anmelden. Neben Basiswissen geht es vor allem um Problemlösungen vor Ort und Praxistipps.

GLASWELT – EnEV & Co entwickeln sich immer weiter. Wie sehen Sie da den Schulungs-Bedarf?

Orth – Ohne ständige Schulung ist die vielfältige und teils undurchsichtige „EnEV-Welt“ nicht mehr zu beherrschen. Es gilt diese komplexe Thematik mit verständlichen Worten zu transportieren. Nur so gelingt es, dass Facharbeiter und Büromitarbeiter die wesentlichen Intentionen der Gesetze verstehen lernen. Eine reine Aufzählung von Normen und Regulierungen ohne pragmatische Bezüge macht wenig Sinn.

Im Interview mit Armin Fischer

Als Vollsortimenter muss sich Warema mit der Ausbildung intensiv befassen. Mit Abteilungen für die Themen Aus- und Weiterbildung will man Mitarbeiter und Fachbetriebe immer auf dem aktuellen Stand halten.

Glaswelt – Eine Auszubildende im R+S Bereich erzeugt als Bundessiegerin zur Zeit eine hohe Aufmerksamkeit. Ist Simone Huber (siehe Glaswelt Ausgabe 12/14) ein leuchtendes Beispiel für die handwerklichen Berufe?

Armin Fischer – Das ist sie in der Tat und dieser tolle Erfolg ist sicher nicht alltäglich. Dazu gehören im übrigen die viel gerühmten Tugenden des Handwerks und ein guter Ausbildungsbetrieb. Warema fährt dabei zweigleisig, zum einen mit der Schulung der Mitarbeiter und Auszubildenden über die Personalentwicklung und mit der Weiterqualifizierung der Fachbetriebe unter dem Dach unseres Trainingscenters in Marktheidenfeld.

Glaswelt – Wie stellen Sie denn die Qualifikation Ihrer Fachhändler sicher?

Fischer – Mit dem Trainingscenter, dem Tochterunternehmen in Limbach-Oberfrona und den Standorten Köln, Berlin, Hamburg und München werden wir das Seminarprogramm 2015 intern und extern anbieten. Das schafft Kundennähe und schont wertvolle Zeitressourcen, wenn es darum geht sich in den Bereichen Produktwissen, Elektrotechnik, Montage und Sonderseminare weiterzubilden.

Glaswelt – „Smart Home" ist das neue Zauberwort in der R+S Branche. Da kommt dann auch schnell der Begriff Elektrofachkraft ins Spiel. Welche Bedeutung hat das für Warema?

Fischer – Eine sehr hohe – und die Seminare Elektrofachkraft sind bereits für zwei Jahre ausgebucht. So kann der Fachhändler den Vorschriften entsprechend planen und die Produkte sicher liefern, montieren und anschließen. Mit den vielfältigen Möglichkeiten unserer eigenen Smart Home Systeme kann er so zum wirklichen Sonnenlichtmanager werden, und die Potenziale unserer vielen Produkte voll ausschöpfen.

Im Interview mit Ingo Plück

Das duale Bildungssystem in Deutschland findet weltweit Anerkennung. Als Fachverband arbeitet der BVRS in der Lehrerfortbildung eng mit den Berufsschulen für die Rollladen- und Sonnenschutzmechatroniker zusammen.

Glaswelt – Der BVRS beschäftigt sich sehr intensiv mit der Lehrerfortbildung. Wie legen Sie dabei die Schwerpunkte fest?

Ingo Plück – Die Lehrerfortbildung findet immer bei einem anderen Betrieb der Zulieferindustrie statt. Dessen Produktsortiment bestimmt dann den fachlichen Schwerpunkt. Bei der Ansprache des Gastgebers achten wir daher in Abstimmung mit den Lehrern darauf, dass sie über die Jahre hinweg einen breiten fachlichen Querschnitt vermittelt bekommen. Natürlich werden hierbei auch aktuelle Entwicklungen berücksichtigt.

Glaswelt – Die ständigen Änderungen in Regelwerken wie Normen und Richtlinien sind für die Fachbetriebe oft ein schwieriges Thema. Wie sorgen Sie da für den notwendigen Überblick ?

Plück – Wir informieren über alle Entwicklungen durch unsere Fachzeitschrift R+S. Die Homepage des Technischen Kompetenzzentrums https://rs-kompetenzzentrum.de/ stellt zusätzlich Informationen über relevante Normen und technische Richtlinien zur Verfügung. Druckfassungen der Richtlinien werden wir in Kürze bereitstellen.

Glaswelt – Das Thema Meisterprüfung in einem nicht zulassungspflichtigen Handwerk hat die Anzahl der Anmeldungen deutlich reduziert. Was kann man hier tun, um die Teilnehmerzahlen wieder zu erhöhen?

Plück – Mittlerweile erkennen immer mehr die Notwendigkeit, die Meisterprüfung abzulegen, um mit einem eigenen Betrieb am Markt zu bestehen und sich von Unqualifizierten abzuheben. Das betonen wir auch bei jeder Gelegenheit, wie z. B. Lossprechungsfeiern, und haben so die Talsohle bei den Meisterprüfungen schon vor einigen Jahren durchschritten. Hierzu hat auch unsere in 2007 modernisierte Meisterausbildung beigetragen.

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