Glaswelt – Herr Weinbacher, in welchem Fall ist es möglich, bei einem geklebten Fenster die Glasscheibe auszutauschen?
Günther Weinbacher – Das kommt ganz darauf an, um was für ein Fenster es sich handelt. Bei Standard PVC- oder Holzfenstern nach IV68 oder höher ist der Glasaustausch ohne Weiteres möglich. Entscheidend ist, dass der Fensterflügel in sich stabil ist. Bei Fenstersystemen mit extrem schmalen Rahmen, bei denen das Glas eine aussteifende Funktion innehat, ist ein Austausch der Scheiben nicht sinnvoll. Grundsätzlich muss der Rahmen in sich so verwindungssteif sein, dass er auch ohne Scheibe stabil bleibt. Neben dieser Funktionsfähigkeit muss die Verträglichkeit der Komponenten gewährleistet sein. Nicht zuletzt spielt die Optik eine Rolle. Besonders bei älteren PVC-Fenstern, aber auch bei Holzfenstern, kann sich die Farbigkeit im Laufe der Jahre verändern. Dann ist es immer gut, wenn man so reparieren kann, dass das Erscheinungsbild in der Fassade stimmig bleibt.
Vorsicht: Sollte der ursprünglich verwendete Klebstoff nicht ermittelbar sein, so wird von einer Reparaturverglasung abgeraten, um das Risiko von möglichen Unverträglichkeiten auszuschließen.
Glaswelt – Wo sehen Sie noch Einschränkungen?
Weinbacher – Im Falle einer Falzgrundklebung ist vorab beim Klebstoffhersteller unbedingt die Verträglichkeit des Klebstoffes mit dem Randverbund der Ersatzscheibe abzuklären.
Glaswelt – Wie kann der Verarbeiter, der zu einer Reparatur gerufen wird, die Verträglichkeit der Komponenten feststellen?
Weinbacher – Die namhaften Systemhersteller sind inzwischen dazu übergegangen, einen Barcode am Flügel anzubringen, der die wesentlichen Daten zum Rahmen, dem Glas und dem Klebstoff enthält. Der Monteur kann diese Daten mit einem Lesegerät auslesen und seine Arbeit entsprechend planen.
Glaswelt – Es gibt ja verschiedene Positionen der Klebung. Sind sie alle gleichermaßen für die Reparatur auf der Baustelle geeignet?
Weinbacher – Grundsätzlich ja, nur die Vorgehensweise ist jeweils eine andere. Wird auf Position 1 geklebt, muss der Verarbeiter erst den Klebstoff einbringen und dann die Scheibe auflegen und verklotzen, bei Position 4 oder 6 dagegen wird erst die Glasscheibe eingelegt und verklotzt und danach der Klebstoff eingebracht. Die Klebposition spielt hier nicht die entscheidende Rolle, sondern vielmehr die Klebgeometrie. Optimal ist ein 5 bis 6 mm breiter und 12 bis 15 mm tiefer Luftraum im Falz. Das haben auch die Systemhäuser erkannt und bieten Klebflügel mit einer entsprechenden Falzluft an. Das erleichtert wiederum den Austausch der Scheiben, weil man eine genormte Größe hat und sauber schneiden kann.
Glaswelt – Worauf muss man beim Ausmessen der Scheibe achten?
Weinbacher – Bei einem geklebten Fenster muss der Handwerker die Reparaturscheibe anders ausmessen als bisher. Nimmt er Maß wie bei einem konventionellen Fenster, misst er zu kurz, weil das kalkulierte Falzmaß nicht mit dem vorgefundenen Falzmaß übereinstimmt.
Glaswelt – Was braucht es auf der Baustelle und wie geht man vor?
Weinbacher – Es braucht zunächst einmal die passende Scheibe. Des Weiteren die Dichtung, den Klebstoff, die Klötze. Der defekte Flügel wird ausgehängt, auf Böcke oder anderweitig aufgelegt, die Glasleisten herausgenommen und der Klebstoff herausgeschnitten. Dabei wird der Klebstoff mit einem Messer oder einem oszillierenden Messer herausgeschnitten.
Dann kann man die defekte Scheibe entnehmen und restlichen Klebstoff entfernen. Es muss nicht blank werden, wenn ich mich innerhalb des Systems bewege, verträgt sich der alte Klebstoff mit dem neuen und haftet auch. Anschließend muss der Rahmen ausgeblasen und am besten mit Cleanprimer gesäubert werden, da hat man zwei Funktionen in einem Arbeitsgang. Auch die neue Scheibe wird gereinigt, eingesetzt, verklotzt und angespritzt. Da die Scheibe verklotzt ist, kann der Flügel danach gleich wieder einhängt werden.
Glaswelt – Worauf muss der Verarbeiter besonders achten?
Weinbacher – Der Verarbeiter muss sehr sauber arbeiten, das heißt die Klebfläche muss sauber sein. Ist das Fenster eingehängt, sollte es mindestens zwei Tage nicht geöffnet werden, damit der Klebstoff in Ruhe aushärten kann. Wird der Flügel zu früh geöffnet, besteht die Gefahr, dass er sich verwindet und später klemmt. Da können Sie auch nichts mehr nachstellen – einmal geklebt, immer geklebt! Die Aushärtezeit muss also unbedingt eingehalten werden. Hierfür gibt es Aufkleber, auf denen der Monteur das Datum des frühesten Öffnens vermerkt und den er gut sichtbar am Fenster anbringt.
Glaswelt – Welche Rolle spielt das Klima, sprich Temperatur und Luftfeuchtigkeit auf dem Bau?
Weinbacher – Die Verarbeitungstemperatur sollte mindestens + 5 °C betragen. Das gilt allgemein für alle Dicht- und Klebstoffe. Die Luftfeuchte hat auf 2K-Systeme keinen Einfluss, da diese einen Härter beinhalten. Hier kann die Temperatur insofern eine Rolle spielen, als dass bei höheren Temperaturen der Durchhärteprozess schneller beendet ist. Aber für den Austausch einer Scheibe ist die Temperatur nicht so wichtig, das ist eine Sache von 5 Minuten. Klebt man mehrere Scheiben hintereinander, muss man jedoch die offene Topfzeit von ca. 25 Minuten beachten, auf die der Kleber eingestellt ist.
Glaswelt – Ist das allgemein so?
Weinbacher – Ja, standardmäßig ist die offene Topfzeit zwischen 20 und 30 Minuten, je nach Temperatur. Deshalb sollte der Verarbeiter nicht mehr als zwei oder drei Scheiben gleichzeitig kleben: Denn sobald der Klebprozess einmal in Gang gekommen ist, also eine Haut gebildet wurde, ist die Klebkraft bzw. die Haftung nicht mehr gewährleistet.
Glaswelt – Wie lange dauert der komplette Austausch einer Standardscheibe 125 x 150 cm?
Weinbacher – Ein geübter Handwerker, der sein Werkzeug gut gepflegt und das Material parat hat, benötigt zirka 45 Minuten. Ich möchte an dieser Stelle aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass eine vorherige Schulung anzuraten ist, bevor man einen solchen Auftrag annimmt. Das ist schließlich auch eine Frage der Haftung. Die Schulungen werden von allen großen Systemherstellern angeboten und dauern in der Regel einen Tag. Hier erfährt man die theoretischen Grundlagen zum Thema „Fenster kleben“ und hat die Möglichkeit, die Vorgehensweise in der Schulungswerkstatt zu proben. Wir können allen Verarbeitern nur dazu raten, dieses Angebot zu nutzen.
Glaswelt – Welche Nacharbeiten sind erforderlich?
Weinbacher – Nacharbeiten wie das Nachstellen der Flügel gibt es nicht, mit dem Einhängen des Flügels ist die Reparatur abgeschlossen. Beim Einhängen wird der Flügel von Auflaufböcken im Falz unterstützt, die ihn ganz leicht nach oben schieben. Wenn das Fenster nach zwei Tagen Aushärtezeit geöffnet wird, können der Hausbesitzer oder Mieter die Auflaufböcke entfernen. Gegenüber der konventionellen Reparatur mit Nachstellen auf der Baustelle spart sich der Verarbeiter also einen Weg. —
Das Gespräch führte Matthias Rehberger, Chefredakteur der GLASWELT.
Der Scheibenaustausch Schritt für Schritt
- Beim Tausch wird zuerst der Klebstoff mit einem Messer oder einem oszillierenden Messer herausgeschnitten (Bilder 01 und 02).
- Dann wird die Scheibe vorsichtig angehoben und aus dem Rahmen entfernt (Bild 03).
- Jetzt wird die Verklotzung sowie der verbliebene Klebstoff (hier im Bild) so weit wie möglich entfernt. Der Rahmen muss dabei nicht blank werden (Bild 04).
- Der neue Klebstoff wird entweder auf Pos. 1 eingebracht, die gereinigte Scheibe eingesetzt und verklotzt (Bild 05) …
- … oder aber im Falzgrund (Klebung der Glaskante, Bild 06).
- Mit dem Einbringen des Klebstoffs ist die Reparaturverglasung fertig, der Flügel kann eingehängt werden (Bild 07).
Tipps vom Fachmann
Günther Weinbacher ist Schreiner und studierter Betriebswirt. Seit dem Jahr 2000 fungiert er als Projektleiter „Kleben“ bei der Otto-Chemie, Fridolfing. Der mittelständische Dicht- und Klebstoffhersteller hat die Entwicklung geklebter Fenster- und Fassadesysteme maßgeblich unterstützt. Das Unternehmen bietet regelmäßig Schulungen zu Reparaturverglasungen von geklebten Fenstersystemen an. https://www.otto-chemie.de/bau