Innerhalb des Tischler- und Schreinerhandwerks ist eine "heftige, zum Teil kontrovers und mitunter auch polemisch geführte" Diskussion entbrannt. Es geht dabei um das Produkt ClearoPAG 167, einen Volumen-Aerosol-Klebstoff der Firma ClearoPAG GmbH. Der Verband Tischler NRW sah sich jetzt genötigt, eine Stellungnahme dazu zu veröffentlichen.
Auch in der GLASWELT wurde das Vorgehen des Verbandes und des Herstellers durch den Kommentar von Karl Standecker "Wollen Sie Staubsaugervertreter werden?" in der Maiausgabe thematisiert.
Jetzt veröffentlichte der Fachverband des Tischlerhandwerks NRW eine Stellungnahme von Thomas Radermacher, Vorstandsmitglied des Fachverbandes Tischler NRW und stellvertretender Vorsitzender des Sachverständigenausschusses für das nordrhein-westfälische Tischlerhandwerk:
"Die Firma ClearoPAG ist mit dem vorbezeichneten Produkt und einer entsprechenden Marketingkampagne offensiv am Markt aufgetreten und man konnte aufgrund der propagierten Produkteigenschaften zunächst den Eindruck gewinnen, dass dieser fälschlich als Montageschaum bezeichnete Klebstoff revolutionäre Eigenschaften besitzt – nämlich auf der Innenseite der Baukörperanschlussfuge luftdicht zu sein, die Fuge selbst wärmedämmend zu füllen und außerdem außen die zwingend erforderliche Schlagregendichtigkeit gewährleisten zu können. Ein Material also, dass so intelligent ist, dass es weiß wo innen und außen ist und aufgrund seiner Multifunktionalität sämtliche bekannten, biophysikalischen und technischen Probleme einer modernen Fenster- und Bauelementemontage vor dem Hintergrund der hohen Anforderungen der Energieeinsparverordnung einfach und preiswert löst.
Viele Anwender und Verarbeiter aus der Branche sahen darin die Lösung ihrer Montageprobleme, da sie zwar gezwungen sind, eine den anerkannten Regeln der Technik entsprechende Montage durchzuführen, ihre kaufmännischen und kalkulatorischen Fähigkeiten dem jedoch bisweilen diametral entgegenstehen. Fatalerweise wurden sie in dieser unkritischen und heilssuchenden Sichtweise nicht selten von schlecht oder gar nicht geschulten Händlern und Verkäufern bestärkt, denen es mehr um ihre Umsatzzahlen als um seriöse Beratung und Produktkenntnisse ging.
Auch die vorgelegten Prüfzeugnisse anerkannter Institute stützten auf den ersten Blick den positiven Eindruck zu den Materialeigenschaften und Fähigkeiten, wobei sich daraus aber auch eine Reihe von Fragen und ungelöste Problemstellungen ergaben. Auch andere Institute und Fachleute aus der Branche äußerten sich öffentlich und kritisch zu den Produktanpreisungen der Firma ClearoPAG.
Da auch der Landesfachverband des nordrhein-westfälischen Tischlerhandwerks in diesen Zusammenhängen in die Schusslinie der Kritik geraten war, hat sich der Sachverständigenausschuss des Fachverbandes in seiner Sitzung am 30. April 2014 sehr kritisch mit den Vertretern der Fa. ClearoPAG im Allgemeinen und dem Produkt ClearoPAG 167 im Besonderen auseinandergesetzt. Die Firmenvertreter sahen sich einer höchst kritischen Befragung seitens der Mitglieder dieses hochkarätig besetzten Gremiums ausgesetzt und mussten im sprichwörtlichen Sinne „ihre Karten auf den Tisch legen“. Die gewonnenen Erkenntnisse waren dabei für beide Seiten wertvoll.
Die Sachverständigen erfuhren alles über die Produkteigenschaften – auch anhand praktischer Anwendungsbeispiele und kritischer Montagesituationen. Die Verkäuferseite musste zugestehen, dass manches aus den vollmundigen Ankündigungen bzgl. der Produktfähigkeiten zu Missverständnissen geführt hatte und ein gutes Produkt nicht dadurch noch besser wird, indem man ihm unterschwellig zusätzliche Fähigkeiten zuweist, die es aber faktisch gar nicht hat.
Im Nachgang dieser brisanten Sitzung fand am 4. Juni 2014 ein Fachsymposium in Lünen statt, bei dem sich die Vertreter der Fa. ClearoPAG einem ca. 40-köpfigen Fachpublikum aus zahlreichen Sachverständigen sowie kompetenten Fachleuten aus renommierten Unternehmen des Bereiches Fensterbau erklären mussten. Auch hier wurde wiederum kontrovers diskutiert, viele offene und mitunter sehr kritische Fragen wurden gestellt und letztlich zumeist erschöpfend beantwortet.
Beide Veranstaltungen dürften dazu beigetragen haben, das Material ClearoPAG 167 richtig einzuordnen, seine Stärken und Schwächen zu erkennen und die richtigen Einsatzbereiche festlegen zu können.
Das Fazit in aller Kürze:
- Es ist in der Tat kein ‚Wunderschaum‘, denn es ist gar kein Schaum, sondern ein Volumen-Kleber. Er muss daher auch anders verarbeitet werden als herkömmlicher und bekannter PUR-Schaum.
- Bei ordnungsgemäßem Einsatz hat das Material Eigenschaften, die es tatsächlich ermöglichen, eine innenseitig luftdichte Anschlussfuge herzustellen. Unabdingbare Voraussetzung dafür ist es jedoch, vor dem Einsatz einen geeigneten Untergrund zu schaffen und die gemäß Produktdatenblatt definierten Fugenbreitenquerschnitte auf keinen Fall zu überschreiten.
- Die Wärmedämmung der Bauteilanschlussfuge ist gegeben, wenn diese Fuge in vollem Umfang und lunkerfrei gefüllt wird. Dies bedarf jedoch höherer Sorgfalt, als z.B. bei der Einbringung von PUR-Schaum erforderlich.
- Die Schlagregendichtigkeit außen kann ClearoPAG 167 nicht gewährleisten. Da das Material nicht UV-beständig ist, muss es zeitnah nach der Montage abgedeckt werden, beispielsweise mit schlagregendichtem Folienmaterial. Wenn möglich, ist es jedoch besser und einfacher, die äußere Fuge mit einem vorher eingebrachten, herkömmlichen Dichtungsband zu versehen.
- Aus der Kausalität der letztgenannten Erfordernisse hatte die Firma ClearoPAG trickreich und werbewirksam geschlussfolgert, dass dadurch die Schlagregendichtigkeit des Materials selber herzuleiten sei. Dass genau diese zweifelhafte Argumentation zu den eingangs beschriebenen Diskussionen geführt hatte und eine Menge Porzellan zerschlagen wurde, mussten die Verantwortlichen von ClearoPAG letztlich zugestehen – spät, aber sicher nicht zu spät.
Abschließend und zusammenfassend ist zu konstatieren, dass ClearoPAG 167 ein Produkt ist, das durchaus bei genau geplantem Einsatz sowie handwerklich-technisch einwandfreier Anwendung Vorteile gegenüber anderen Produkten und Montagetechniken bietet. Dennoch sind Vorsicht und Sorgfalt bei der Anwendung geboten, wie dies im Übrigen auch aus den viel diskutierten Prüfzeugnissen, fachlichen Einlassungen und nicht zuletzt den Anwendungshinweisen des Herstellers hervorgeht. Es gilt mal wieder die alte Binsenweisheit: ‚Wer lesen kann, ist klar im Vorteil‘ – und die unerfreuliche Diskussion um das Produkt kann damit hoffentlich beendet werden.“