Am 24. Februar 2010 lud der VFF zur Fachtagung “Glas im Bauwesen“ nach Frankfurt ein. Heiß diskutiertes Schwerpunktthema bei den Vorträgen war die Fragen nach dem der Einsatz von ESG und ESG-H. Lesen Sie dazu die Meinung einiger Experten.
Bereits in der Einführung wies Franz Hauck, Obmann des Technischen Ausschusses, auf die verschiedenen Merkblätter des VFF zur Verwendung von Glas im Bauwesen hin. Es lohne sich, nicht nur die Merkblätter zu kennen, diese wären auch eine gute Diskussionsgrundlage, wenn es zu Fragen oder Uneinigkeiten zwischen Bauherr und Verarbeiter käme.
Hinsichtlich des Merkblatt V.06 „Richtlinie zur Beurteilung der visuellen Qualität von Glas für das Bauwesen" riet Hauck den Anwesenden: „Nehmen Sie das Merkblatt zur Abnahme mit auf die Baustelle. Darin ist genau festgelegt, was dem Bauherren zumutbar ist, und was nicht.“
Die Merkblätter belegten den aktuellen Stand der Technik und seien mit den Verschiedenen Branchenverbänden und Institutionen abgestimmt. Darüber hinaus erhielte der Verarbeiter eine schriftliche Grundlage, auf die er sich berufen könne. Weiter lohne es sich, das oder die entsprechenden Merkblätter, etwa zu 3-fach-Isolierglas, bei Vertragsabschlüssen den Verträgen beizulegen.
Ein Null-Risiko gibt es bei keinem Baustoff, auch nicht bei ESG!
Bei dem Vortrag von Prof. Dr.-Ing. Jens Schneider vom Institut für Werkstoffe und Mechanik im Bauwesen, TU Darmstadt stand die Frage im Vordergrund „Sind ESG und ESG-H ein Sicherheitsrisiko?“. Generell, so Schneider, gibt es keine 100-prozentige Sicherheit, bei keinem Baumaterial. Allerdings werde ESG (Einscheibensicherheitsglas), und die Möglichkeit seines Spontanbruchrisikos durch Nickelsulfideinschlüsse, aufgrund einiger Gerichtsurteile aus jüngster Zeit außerhalb der Branche (zu) kritisch betrachtet. Dies sei aber ungerechtfertigt. Heute würden, auch von Gutachtern, viele Glasbrüche schnell als Nickelsufid-Spontanbrüche eingestuft, obwohl sie es nicht sind. Gewissheit gäbe es beim Bruch nur durch chemische Tests, das Bruchbild alleine, sei hier unzureichend, um eine genaue Aussage zu treffen.
Im Zweifelsfall, so Prof. Schneider, solle man als Verarbeiter lieber ESG-H – also ESG, das einem Heat-Soak-Test unterworfen wurde – einsetzen statt ESH, um dem NiS-Spontanbruchrisiko vorzubeugen. Bei ESG-H könne man ein Bruchrisiko von 1 Glasbruch auf 20.000 m2 anlegen (statt auf 1 Bruch zu 500 m2 wie bei ESG). P rof. Schneider gab sozusagen "Entwarnung" indem er belegen könne, dass das Risiko des NiS-Spontansprungs bei ESG-H unter den gefürchteten 1 : 10-6 liegt , wie es für Bauprodukte gefordert werde.
Ab 4 Metern Bauhöhe ist der Einsatz von ESG-H Pflicht
Fenster- und Fassadenbauer sollten immer darauf achten ESG-H ab einer Bauhöhe oberhalb 4 Metern einzusetzen, wie es die TRLV (Technischen Regeln für die Verwendung von linienförmig gelagerten Verglasungen) verlangt. Die Verwendung von (nicht heißgelagertem) monolithischem ESG ist nur in Einbausituationen unterhalb 4 Metern Einbauhöhe zulässig. Und auch nur dann, wenn Personen nicht direkt unter die Verglasung treten können. In allen anderen Einbausituationen, auch für Außenscheiben von Mehrscheiben-Isolierverglasungen, muss (heißgelagertes) monolithisches ESG-H verwendet werden. Will der Verarbeiter auf Nummer sicher gehen, sollte er immer ESG-H verwenden.
Was sagt die Rechtssprechung?
Hierzu schloss sich passend der Vortrag von RA Prof. Jörg Teller, von der Frankfurter Kanzlei SMNG an, der ESG von Seiten der Rechtssprechung betrachtete. Teller riet den Teilnehmern auf alle Fälle in den Verträgen, in denen ESG genannt bzw. verlangt wird, einen Passus einzufügen, der auf ein gewisses statistisches Restrisiko verweise.
Vorsicht ist geboten: Werde im Vertrag ausdrücklich ESG-H gefordert und der Verarbeiter bzw. der Fassadenbauer könne keinen Beleg über (an ihn) geliefertes ESG-H erbringen oder Zeugnisse, die die Durchführung der Heißlagerung belegen, gingen die Gerichte von mangelhaften Scheiben aus. Denn im Schadensfall käme ein fehlender Hinweis einem Mangel gleich. Toller: „Um es auf den Punkt zu bringen, das Fehlen der Dokumentation von ESG-H führt automatisch zur Mangelhaftigkeit.“
Diesen Tipp sollte man befolgen
Und noch einen weiteren wichtigen Rat gab er den Anwesenden: „Bereits vor der Angebotsabgabe, d.h. bevor die Unterlagen ausgehändigt werden, müssen Sie auf ein mögliches Bruchrisiko beim Einsatz von ESG hinweisen. Tun sie das nicht, kommen Sie ihrer Hinweisplicht nicht nach, und sie können belangt werden.“ Zudem müssen man belegen können, dass diese Hinweise den Empfänger auch erreicht habe.
Ganz wichtig sei zudem, dass der Verarbeiter bei dem jeweiligen Projektunterlagen alle Unterlagen zu ESG-H, d.h. Lieferscheine u.ä, die als Beleg/Beweis dienen können, aufbewahre und archiviere. „Halten sie die Beleg mindestens 10 Jahre vor“, so Teller. Denn komme es zu Rechtsstreitigkeiten, könne man so schnell die geforderten Nachweise erbringen. Rückwirkend sich die Nachweise zu besorgen sei nicht nur aufwändig, sondern in manchen Fällen auch nur sehr schwer möglich.
Bereits bei der Lieferung der ESG-H Scheiben müsse der Fassadenbauer prüfen, ob er auch alle Unterlagen vollständig von Glaslieferant erhalten habe. Wenn nicht, sollte er diese binnen zwei bis fünf Tagen einfordern.
Matthias Rehberger
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