Die Zukunft der EnEV, neue DIN 18008, zunehmende Digitalisierung und juristische Neuregelungen — in einer dynamischen Branche stehen Fragen nach Regeländerungen und technischen Innovationen ständig im Raum. Die VFF-Fachtagung Normung und Technik am 15. Juni 2016 hat einige dieser Zukunftsthemen, ergänzt durch aktuelle Fragestellungen, ins Zentrum der Tagesordnung gestellt.
Moderiert wurde die von mehr als 75 Teilnehmern besuchte Veranstaltung am Frankfurter Flughafen von Christian Anders, dem neuen Obmann des VFF-Ausschusses „Normung und Technik“. „Ich habe mich über die große Teilnehmerzahl genauso gefreut wie über das aktive Interesse an den Themen“, erklärte Christian Anders, nach der Veranstaltung. „Insbesondere hat mir gefallen, dass auch Themen abseits des alltäglichen Geschäfts interessiert verfolgt wurden. Solche Randthemen wollen wir in Zukunft regelmäßig mit ins Programm aufnehmen.“
Zukunft der EnEV, neue Musterbauordnung und zunehmende Digitalisierung
Peter Rathert, Ministerialrat im Bundesbauministerium, erläuterte die Zielkonflikte auf dem Weg der Anpassung der Energieeinsparverordnung an die EU-Vorgabe „Niedrigstenergiegebäude-Standard“ bis zum Jahr 2020: Zum einen stehen die politischen Vorgaben der Klimaschutzziele und der Baukostensenkung dabei miteinander im Konflikt. Und zum anderen kollidiert die Überlegung, den Niedrigstenergiegebäude-Standard durch das KfW Effizienzhaus 55 zu definieren, mit den Vorgaben der Kommission, die eher dem KfW Effizienzhaus 45-Standard entsprechen. Zudem soll das ganze Regelwerk im Zuge der Zusammenführung von Energieeinsparungsgesetz (EnEG) und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) deutlich vereinfacht werden und das so schnell wie möglich. Rathert erweckte den Eindruck, dass die Quadratur des Kreises eine Kleinigkeit gegen dieses Vorhaben darstellt.
Spannend schaut es auch aus, wie die Musterbauordnung geändert wird, nachdem 2014 der Europäische Gerichtshof die Rechtswidrigkeit nationaler Sonderregelungen an drei Beispielen aus der deutschen Bauregelliste festgestellt hatte. Rechtsanwältin Leona Luncke, LL.M, von der Kanzlei SMNG erläuterte den Ort dieser Regelungen im Rahmen der Rechtssystematik und beschrieb, wie durch neue Begriffe und neue Regelungsinstrumente (Verwaltungsvorschrift statt Bauregelliste und Liste Technische Baubestimmungen) europäische Rechtslage und deutsche Anforderungen in neuer Weise kompatibel gemacht werden sollen.
Ebenfalls im Blick auf notwendige Neuregelungen erläuterte Jochen Grönegräs, Hauptgeschäftsführer des BF Bundesverband Flachglas, die viel diskutierte DIN 18008 im Hinblick auf die vorgesehene Verwendung von Sicherheitsgläsern. Nach den vorliegenden Änderungsentwürfen soll beispielsweise die bestehende Nachweiserleichterung für Fensterflächen unter 1,6 m² Größe entfallen.
In welchem Ausmaß und wie die Digitalisierung in der Planung und Fertigung von Sonderkonstruktionen im Hochhausbau Einzug gehalten hat und in Zukunft noch mehr Anteil gewinnen wird, erklärte Patric Günther vom Innovationsmanagement der Schüco International KG mit starken Bildern und Computergrafiken. Das virtuelle Programmieren etwa im Bereich des Konzepts „Building Information Modeling“ (BIM), welches optimierte Planung, Ausführung und Bewirtschaftung zusammenfasst, soll schon ab 2020 im Rahmen eines Stufenkonzepts im öffentlichen Bauen der Bundesrepublik eingeführt werden.
Tageslichtrelevanz, Einsatzempfehlungen sowie eine neues Merkblatt zu Toleranzen
Von unmittelbarer Bedeutung für die Arbeit der Fenster-, Haustüren- und Fassadenhersteller waren die Vorträge von Detlev von See / Christina Jankowski, Knut Junge und Christian Anders. Zunächst beschrieb Detlev von See von der Velux Deutschland GmbH den Stand der Normierung von Tageslichtanforderungen in der DIN 5034 und die geplante Erweiterung der Anforderungen auch im stärkeren Blick auf Umwelt- und Gesundheitsaspekte in dem Entwurf der europäischen Norm prEN 17037, die bis Ende des Jahrzehnts gültige Rechtsnorm werden soll. Seine Kollegin Christina Jankowski ergänzte diese normative Darstellung durch die Präsentation einer Wohngesundheitsstudie, die das ungehobene Potential von Tageslichtbedürfnissen bei den Gebäudenutzern ermittelte.
In eine ganz andere Richtung ging der Vortrag von Knut Junge vom ift Sachverständigenzentrum. Junge stellte Einsatzempfehlungen vor, die beim Bau von Kindergärten, Krankenhäusern und Altenpflegeeinrichtungen nützlich sind.
Das weitgehend fertiggestellte VFF-Merkblatt „Toleranzen im Fenster-, Türen- und Fassadenbau“, stellte Christian Anders von der Anders Metallbau Fritzlar GmbH vor. Zentral dabei ist die Unterscheidung der Toleranzen im Bauteil und bei der Montage sowie der Toleranzen, die sich im Zusammenspiel dieser beiden Toleranzfelder ergeben. Das Merkblatt zu den Toleranzen im Fenster-, Haustüren- und Fassadenbau wird voraussichtlich im Herbst 2016 erscheinen.