Was hatten Tagesschausprecher Jan Hofer, Joschka Fischer, der Volkswirtschaftler Wolfgang Wiegard mit rund 340 Teilnehmern am 24. August gemeinsam? Sie alle beschäftigten sich auf dem Branchenforum Fenster + Fassade mit der Frage, wie die Energiewende gelingen und wie sich der Gebäudesektor mit seiner bedeutende Rolle in dieser Frage noch stärker positionieren kann.
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Die Initialrede des Branchenforums Fenster + Fassade zur Erreichung der Klimaziele hielt Joschka Fischer: Er stellte die Frage, ob man es bei der Energiewende mit einem Basistrend zu tun habe, oder nur mit einer Modeerscheinung. Seine Antwort: "Diese Veränderungen im Bewusstsein sind nicht erst durch Fukushima entstanden." Vielmehr lägen sie darin begründet, dass andere Länder einen ähnlichen Lebensstandard wie wir anstreben. Und aus dieser Tatsache heraus sind auch die Schwellenländer mittlerweile daran interessiert, einen Aufschwung finanzierbar und auch Ressourcenverträglich zu gestalten. Früher hätten ihn die Chinesen bei den Nachhaltigkeitsthemen belächelt, heute weiß auch dieses Land, dass die Beschäftigung mit diesem Thema überlebensnotwendig ist. Die Energiewende sei die wichtigste und richtige Entscheidung gewesen, die die Regierung seit langem getroffen habe. Jetzt hätte man damit die Chance, die Weichen für eine nachhaltige Energiewirtschaft zu etablieren, die sogar noch zu einem deutschen Exportschlager mutieren könne. Die Sparsamkeit sei heute nicht mehr ein Ausdruck von Mangel, sondern von Intelligenz.
Aber er bescheinigte der Bundesregierung große Defizite bei der Umsetzung - eine grundsätzlich andere Herangehensweise sei notwendig. Diese Sparsamkeit müsse postuliert werden - anders werden wir den Zielkonflikt - mit den Schritten 2020 und 2050 - nicht hinbekommen.
Dennoch: In der Energiewende liege auch ein großes wirtschaftliches Potenzial für die Fenster- und Fassadenbranche - die Branche müsse aber viel mehr noch darauf achten, dass ihre Stimme gehört werde. Offensichtlich war damit auch ein Aufruf verbunden, die Lobbyarbeit noch weiter zu intensivieren.
Verstehen könne er die Kanzlerin nicht, wie sie das Thema in ihrer Regierungsarbeit anpacke: Es gebe kein Energieministerium, bei dem die Ziele noch viel besser gebündelt werden könnten. Jetzt würde das Thema innerhalb der Verantwortlichkeiten von Bau-, Wirtschafts- und Umweltministerium zerredet. Dazu höre man seitens der Regierung immer nur Lippenbekenntnisse, aber dabei bliebe es. Der Druck käme aber aus einer ganz anderen Richtung: Die immer weiter steigenden Energiepreise.
Die Koordination der Energiewende ist nicht erkennbar
Prof. Gerd Hauser vom Institut für Bauphysik Fraunhofer blies bei seinen Ausführungen ins gleiche Horn: "Die Koordination der Energiewende ist nicht erkennbar." Der Gebäudebestand hat eine zentrale Bedeutung - schließlich werden für die Raumwärme rund 40 Prozent des Endenergie verbraucht. Die Bundesregierung hätte zwar die richtigen Weichenstellungen getroffen. Die Ziele seien nur mit den aktuellen Maßnahmen nicht zu erreichen.
Als Beispiel nannte er das Gerangel um die Abschreibungsmöglichkeiten von energetischen Sanierungsmaßnahmen. Hier passiere gar nichts und der Bundestag und -rat streiten jetzt schon in der 5. Vermittlungsrunde. Diese "hochkritische Situation" sei für ihn nicht verständlich.
Als Leiter eines Forschungsinstitutes verwies er auch auf Innovationen und Entwicklungen, die auch noch keineswegs abgeschlossen seien - es werde in Zukunft beispielsweise Vakuumverglasungen geben oder einen temporären Wärmeschutz durch Kammerplisses.
Päckchenlösungen oder nicht?
In der sich anschließenden Podiumsdiskussion ging es zunächst weiter mit politischen Schuldzuweisungen: Die Bundestagsabgeordnete Petra Müller (FDP, Mitglied im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung) und der Bauminister in NRW, Michael Groschek zankten sich auf der Bühne, wer denn den Missstand bei der steuerlichen Abschreibung für energetische Sanierung zu verantworten habe und Ulrich Tschorn wiederholte die Vorredner Fischer und Prof. Hauser mit seinen Worten: "Wir brauchen einen verlässlichen Fahrplan und kein Hick Hack." Er vermisse den Weg, der aufgezeigt werde. Nachdem Petra Müller von einer Päckchenlösung sprach, die jetzt praktiziert werde, da man mit dem Bundesrat keine ganzheitliche Lösung hinbekommen würde, nahm Joschka Fischer dieses Bild zum Anlass einer deutlichen Kritik: "Das schwarze Peter Spiel ist zum Gähnen. Wie wollen wir die Energiewende mit diesen Päckchenlösungen hinbekommen? Ich habe Zweifel." Wenn das aber nicht gelänge, dann würde auch das internationale Ansehen Deutschlands extrem leiden.
Klaus Gayko als Initiator des Branchenforums stellte in der Diskussion heraus, dass man dem Verbraucher noch viel mehr Orientierung geben müsse und dass die Zielgruppenansprache optimiert werden müsse. Die Antworten wären vorhanden, aber der Verbraucher ist allzu häufig noch verunsichert. Und gerade durch das Gezerre zwischen Bund und Land würde man diese Unsicherheit nur noch fördern. Dazu fehle der volkswirtschaftliche Ansatz: Wenn wir so weiter machen, haben wir immer nur die Einzelinteressen, die jeder für sich verfolgt.
"Seien sie stolz und jammern sie sich nicht krank"
Zum Schluß der Veranstaltung vermittelte noch Zukunftsforscher Christian Hehenberger seine perspektivische Sicht für die nächsten Jahre und skizzierte folgendes Szenario: Energie werde zum Luxusgut - Strom wird im durchschnitt um 10 Prozent teurer jährlich und im Gebäudebestand werde es eine starke Polarisierung geben: Objekte, die eine schlechte Wärmedämmung haben, werden extrem an Wert verlieren. Objekte, die auch eine Photovoltaikanlage integriert haben, werden deutlich im Wert steigen. Und ein Trend werde sich mit Sicherheit abzeichnen: die 50 Plus Generation werde 2020 über 60 % des Geldvermögens in Deutschland besitzen und diese Altersgruppe werde dieses Geld auch ausgeben. Deshalb gab er den Beteiligten einen Rat: "Seien sie stolz und jammern sie sich nicht krank. Wer an die Zukunft denkt, wird auch eine haben." Daniel Mund
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