Wenn Wohngebäude energetisch saniert werden müssen, ist dies heute mit langwierigen Baumaßnahmen verbunden. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik haben ein neues Modernisierungskonzept entwickelt, welches Montagezeiten verkürzt. Mit vorgefertigten, multifunktionalen Fensterelementen lassen sich künftig herkömmliche Renovierungsabläufe ersetzen.
Chirurgen führen Operationen immer häufiger minimalinvasiv durch. Ein kleiner Schnitt in die Bauchdecke genügt, damit sie die Instrumente einführen und die Organe mit einem Endoskop sichtbar machen können. Auch für Architekten und Bauträger empfiehlt sich diese Art des Eingriffs. Patienten sind hier allerdings Wohngebäude, die energetisch saniert werden müssen.
„Auch Gebäude lassen sich auf schonende Weise energieeffizient modernisieren", sagt Michael Krause, Wissenschaftler am Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP in Kassel. Der Forscher und sein Team haben im Projekt »Prefab« multifunktionale Fensterelemente entwickelt, die künftig klassische, langwierige und damit für Bewohner lästige Renovierungsmethoden ersetzen sollen. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) gefördert.
Bislang erfolgen Baumaßnahmen, die den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen senken, getrennt nach Gewerken wie Fassaden- und Fensterbau-, Heizungsbau-, Elektro- oder Klempnerarbeiten. Diese Einzelmaßnahmen sind jedoch oftmals nicht aufeinander abgestimmt und führen zu Baumängeln und langen Sanierungszeiten. „Vor allem, wenn nachträglich anlagentechnische Komponenten wie Lüftungsanlagen und Heizungen installiert werden müssen, beeinträchtigt das die Bewohner stark in ihrer Lebensqualität", erläutert Krause. „Mit unseren multifunktionalen Fensterelementen erreichen wir kürzere Montagezeiten vor Ort und können den Stress für die Mieter deutlich reduzieren."
Das Element besteht neben Fenster und Fensterzarge aus einer Technikbox und einem Dämmstoffrand, der beispielsweise als Wärmedämmverbundsystem aus Polystyrol gefertigt sein kann. Dieses selbsttragende Modul wird von außen in die alte Fensterlücke geschoben und überdämmt die alte Fassade im Fensterbereich. Die herausnehmbare Technikbox befindet sich unter der Fensterbank. In die Box lassen sich Komponenten wie Wärmetauscher, dezentrale Heizungsmikropumpen und Lüftungsfilter einbauen, aber auch Stromanschlüsse, Lüftungskanäle oder Internetkabel. Stromleitungen und Wasserrohre werden unter dem Dämmstoff über die Fassade erschlossen und über Einlässe durch die Technikbox ins Haus geführt.
Der Fensterbauer liefert die Elemente inklusive Technikbox vorgefertigt an. Dadurch beschleunigt sich der Installationsprozess am Gebäude deutlich. Ein weiterer Vorteil: Da man die Fensterbank öffnen kann, lassen sich sämtliche Komponenten einfach warten, nachrüsten oder austauschen. "Da die Dämmelemente mit einer Tragstruktur kommen, sind sie so stabil, dass es denkbar ist, sie mit Solarkollektoren und Photovoltaikmodulen zu bestücken," so der Forscher.
Das vorgefertigte, multifunktionale Fensterelement gibt es bereits als Demonstrator. Hergestellt wurde es von dem Kasseler Industriepartner Walter Fenster + Türen. Im nächsten Schritt wollen Krause und seine Kollegen vom Fraunhofer IBP das Fassadenelement in einem sanierungsbedürftigen Wohngebäude im realen Einsatz testen: "Prinzipiell ist es in vielen Bestandsbauten einsetzbar, wir haben vor allem die Mehrfamilienhäuser der Wiederaufbaujahre im Visier."