Der Chefredakteur unserer Schwesterzeitschrift "TGA" in unserem Verlag, Jochen Vorländer, kommentiert das neue Energiekonzept der Bundesregierung mit den Hinweis, "dass die Bundesregierung unfähig ist, der Gesellschaft eine notwendige Veränderung zu erklären." Den ganzen Kommentar lesen Sie hier.
Was auch immer am Ende auf dem Weg durch die Instanzen vom Energiekonzept der Bundesregierung übrig bleibt, es ist mindestens die Erkenntnis, dass die Bundesregierung unfähig ist, der Gesellschaft eine notwendige Veränderung zu erklären. Wer ein Eckpunktepapier weitgehend unkommentiert und wenige Tage vor dem Beschlusstermin auf den Tisch knallt, wirbt nicht für sein Konzept, sondern provoziert Abwehrreaktionen.
Dabei ist das Ziel, den Gebäudebestand bis 2050 weitgehend klimaneutral zu machen, nicht einmal ein Highlight. Setzen sich die Entwicklungen der letzten zehn Jahre am Energiemarkt fort, wird jeder Immobilienbesitzer vollkommen freiwillig in 40 Jahren den Energieverbrauch seines Gebäudes drastisch reduziert haben, weil sonst die Betriebskosten nicht mehr zu bezahlen sind.
Den Sanierungsfahrplan für den gesamten Gebäudebestand eines ganzen Landes ohne Wegbeschreibung auf ein einzelnes Gebäude zu fokussieren, beschwört zwangsläufig Krawall herauf. Wer dann unter dem Druck der Lobbyisten sofort zurückrudert, hat entweder kein Konzept – oder ein Nachgeben bereits bei der Zielsetzung kalkuliert. Dabei ließe sich an einem einzelnen Gebäude einfach aufzeigen, was notwendig ist und wo die Prioritäten zu setzen sind.
Betrachten wir ein Gebäude mit einem heutigen Primärenergieverbrauch von 200 kWh/(m2 a). Um ihn bis 2050 gleichmäßig auf Null zu bringen, müsste jährlich ein Einspareffekt von 5 kWh/m2 realisiert werden. Während der nächsten 40 Jahre würden dann insgesamt 3900 kWh/m2 und im Jahresmittel 97,5 kWh/(m2 a) aufgewendet werden. Selbstverständlich ist so eine „Mosaiksanierung“ unrealistisch. Überträgt man sie aber auf 100 Gebäude und größere Maßnahmen, kommt man im Kollektiv auf die gleiche Funktion.
Führt man im Jahr 2011 an dem Beispielgebäude eine Sanierungsmaßnahme durch, die den Primärenergiebedarf von 200 auf 140 kWh/(m2 a) und damit um leicht erreichbare 30 % drückt, hätte das Gebäude in den nächsten 40 Jahren einen Gesamtbedarf von 5600 kWh/m2 und im Mittel von 140 kWh/(m2 a). Wichtig ist der frühe Sanierungszeitpunkt. Kommt der 30-%-Minderungsschritt erst 2021, benötiget das Gebäude in den nächsten 40 Jahren 6800 kWh/m2 und kommt so nur auf einen mittleren spezifischen Wert von 170 kWh/(m2 a).
Um mit dem Beispielgebäude den gleichen Primärenergieaufwand wie bei der Mosaiksanierung zu erreichen, könnte man beispielsweise 2020 eine dann voraussichtlich wirtschaftliche Photovoltaikanlage installieren und so den Kennwert auf 60 kWh/(m2 a) drücken. In der Gesamtbilanz würde dann mit 3920 kWh/m2 das gleiche Budget wie bei der Mosaiksanierung aufgewendet. Erst 2050 müsste man sich um die restlichen 60 kWh/(m2 a) kümmern. Das Beispiel zeigt, dass die 2050-Ziele mit minimalem Aufwand, z.B. einer Heizungsmodernisierung und einer Photovoltaik-Anlage, zu erreichen sind. Entscheidend ist, so früh wie möglich zu handeln. Sonst wird die Schrittweite so groß, dass sie die Gebäudeeigentümer massiv überfordert. Mit ihrem Nachgeben lockt die Bundesregierung die Gesellschaft in genau diese Falle.
Jochen Vorländer
Chefredakteur TGA Fachplaner
vorlaender@tga-fachplaner.de
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