Ende März fand in Dresden die zehnte Auflage der Fachtagung “Glasbau“ statt. Bei der Jubiläums-Veranstaltung standen u.a. die kürzlich freigegebenen Teile der Glas DIN 18008 auf dem Programm und warum der Glashobel ein Problem für Glasoberflächen ist. Präsentiert wurde auch das Ferrari Museum in Modena.
Welche Anforderungen auf Isolierglashersteller und Fassadenbauer zukommen, wenn bei uns im Rahmen des Klimawandels die Stürme zunehmen, erläuterten Dr. Martien Teich (seele sedak) und Dr. Matthias Oppe (Knippers Helbig) anhand der Hurrikan-resistenten Verglasungen für das Perez Art Museum in Miami. Dort müssen die großformatigen Scheiben der Fassaden für höchste Belastungen mit Windstärken über 185 km/std. und mehr standhalten. Die Glasfassade muss sehr starken Winddruck und Windsogkräfte (bis zu 4,3 KN/m2) standhalten. Wobei diese Anforderungen rund 6 bis 7 mal höher liegen als aktuell in Deutschland verlangt.
Interessant war zu hören, dass in Miami kleine Fassadenschäden akzeptiert werden, da sie bei den teils sehr heftigen Stürmen nicht vermieden werden können. Jedoch darf es im Schadensfall dabei keinerlei Öffnungen in der Fassade geben, damit kein Wind in das Gebäude eindringen kann.
Die Glas DIN 18008 - jetzt auf den Weg gebracht
Nach Auskunft von Prof. Geralt Siebert von der Universität der Bundeswehr, München, werden die kürzlich freigegebenen Teile 3, 4, 5 der Glas-DIN noch in diesem Jahr zugelassen. Prof. Siebert: „Die Technischen Regeln sind jetzt auf DIN-Niveau, d.h. dass der Verarbeiter ohne Rechnen nicht mehr auskommt. Er muss für die Bemessung von Gläsern auf alle Fälle einen Ingenieur heranziehen. Bei der Bemessung von Fensterscheiben hat sich hingegen nichts geändert, es gilt die selbe Freistellung, wie sie in der TRLV enthalten ist.“
Zur baurechtlichen Einführung der DIN 18008 sagte Prof. Siebert, dass für eine allgemeine Anwendung formal erst noch einige Verwaltungsschritte auf Bundes- und Landesebene durchlaufen werden müssten. Gleichwohl könne die Norm in ihrer Endfassung (sobald diese als Weißdruck des Beuth Verlags vorliege) als Stand der Technik betrachtet werden. Zudem lasse sich die Glas-DIN in Absprache mit der jeweiligen Bauaufsicht bereits heute schon in Teilen anwenden.
„Der Glashobel ist ein Problem.“
In seinem Vortrag führte Prof. Jens Schneider (TU Darmstadt) die Charakterisierung von Oberflächenschäden bei Fassaden- und Dachverglasungen aus. Zur Vermeidung von Kratzern sei es wichtig (wissenschaftlich), zu verstehen, wie Kratzer entstehen. Verschmutzungen treten oft aufgrund fehlender Fachkenntnis der Verarbeiter sowie bei Reinigungspersonal auf. Schneider: „Der Glashobel ist ein Problem, denn er kann leicht die Glasoberfläche verletzen.“
Prof. Markus Feldmann (RWTH Aachen) stellte wandartige Monoglasstützen unter Einwirkung aus vertikaler Drucklast und Biegung vor. „Von Vorteil ist, dass sich der Werkstoff durch rein elastisches Verhalten dem rechnerischen Verhalten perfekt annähert. Bei der statischen Bemessung können wir deshalb immer mit perfekten Modellen rechnen.“ Allerdings sei von Nachteil, dass bei zusätzlich auftretenden (nicht geplanten) Belastungen ein schlagartiges Versagen der Scheibe erfolgen kann. Bei den Bruchversuchen an seinem Institut zeigte sich, dass die Bruchstellen bei ESG immer an der Kante, und bei TVG immer in der Scheibenmitte auftreten.
Konferenz aus Dresden feiert Jubiläum
Erich Trösch (Glas Trösch Holding) berichtete über lastabtragende Klebstoffe im konstruktiven Glasbau anhand von nicht-monolithischen Glasverbundträgern mit großen Spannweiten. Dazu hatte Glas Trösch bereits in der Vergangenheit eine 21 m lange, segmentierte Verbundglasscheibe vorgestellt. Erich Trösch: „Wir wollten etwas längere Gläser fertigen, als dies mit Maschinen in einem Durchlauf umgesetzt werden kann. Daraus ist ein 21 m langer gestoßener Glasträger aus sieben Einzelgläsern entstanden. Dieser besteht aus 7 mm starkem Float, gefügt mit Sentryglas-Folie. Bei der Fertigung wurde auch in den Stirnseiten der Glasstöße die Sentryglas-Folie einlaminiert.“
Michael Elstner (AGC-Interpane) gab einen Überblick über Schallschutz mit Glas: „Eine gute Schalldämmung wird durch die Asymmetrie beim Scheibenaufbau deutlich unterstützt.“ Der Schallschutz sei eine Planungsleistung, die vom Planer mit dem Bauherren abgestimmt werden müsse. Und als Abschluss gab Jürgen Einck (Drees & Sommer) spannende Einblicke die Fassadensanierung des denkmalgeschützten Dreischeibenhauses in Düsseldorf.
Matthias Rehberger
Tipp der Redaktion: Mehr über das Ferrari Museum in Modena erfahren Sie hier auf Youtube .
Die Tagung aus Sicht des Verarbeiter s
Im Rahmen der Glasbau 2013 befragte die GLASWELT den Glasspezialisten Clemens Kastenholz, der aus Köln nach Dresden angereist war.
GLASWELT: Herr Kastenholz, warum lohnt es sich, hierher zu kommen?
Kastenholz: „Ich schätze die Qualität der Referenten und die Kombination aus Forschungs- und praxisorientierten Vorträgen. Hier (ist die Mischung ausgewogen oder hier stimmt die Mischung) stimmt die ausgewogene Mischung. Man kann sein Know-how erweitern, ich denke hier gerade auch an die neue DIN 18008. Weiter sehe ich anhand der Projektpräsentationen, wohin sich Trends bewegen.
Interessant war u.a. der Beitrag über Kratzer von Prof. Jens Schneider. Das Thema Oberflächenbeschädigung und seine Ursachen wird uns in den kommenden Jahren noch weiter beschäftigen.
Kastenholz: „Es gibt noch mehr: Ich erfahre bei den Vorträgen und in den Pausengesprächen wie die Architekten ticken, welche Ideen sie haben, wie sie an die Projekte herangehen. Das macht mir später die Zusammenarbeit einfacher, denn so verstehe ich leichter, was die Architekten wollen, wenn sie ihre Wünsche an uns herantragen und warum sie manche Vorstellungen genau so und nicht anders umgesetzt haben wollen. Zur Umsetzung braucht der Architekt uns, und wir brauchen die Architekten, um weiter voranzukommen. Von einer guten Zusammenarbeit profitieren beide. Und ich als Fachhandwerker lebe von solchen Ideen bzw. Ihrer Umsetzung.