Gerade erst hat der Bundesrat am 7. Juni mit der Verabschiedung der Änderung des Energieeinsparungsgesetzes den Weg für die seit vielen Monaten in Verzug befindliche EnEV freigemacht. Und schon wird die vorgesehene Verschärfung der energetischen Anforderungen erneut und diesmal von der Bayrischen Landesregierung infrage gestellt.
Es ist halt Wahlkampf. Und mit einer Verschärfung kann man schlecht punkten. Mit einem Abmildern von Verschärfungen schon. Und in Bayern ist doppelter Wahlkampf. Am 15. September 2013 wird der Bayerische Landtag gewählt, eine Woche später der Deutsche Bundestag.
„Völlig überzogene energetische Anforderungen“
So erteilt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) der federführend von seinem Parteikollegen Bundesbauminister Dr. Peter Ramsauer entworfenen und am 6. Februar 2013 vom Bundeskabinett beschlossenen EnEV-Novelle bezüglich der vorgesehenen energetischen Verschärfungen eine klare Absage: „Völlig überzogene energetische Anforderungen treiben die Wohnungsbaukosten und Mieten in die Höhe. Bei aller Notwendigkeit von Energiesparmaßnahmen dürfen wir die Wirtschaftlichkeit nicht aus den Augen verlieren. Die Planungen des Bundes, die primärenergetischen Anforderungen um 25 % zu erhöhen, sind grober Unfug. Ein Gutachten zeigt, dass die Amortisationszeiträume für diese höheren Aufwendungen zwischen mindestens 32 und über 150 Jahren liegen werden. Das machen wir nicht mit!“
Bayern werde deshalb im Bundesrat den Antrag stellen, die Anforderungen an Wohnungsneubauten auf das Maß zu beschränken, für das die Wirtschaftlichkeit gutachterlich belegt ist, so Herrmann. Die EnEV-Änderungsverordnung sieht bei den primärenergetischen Anforderungen eine Anhebung in zwei Stufen von jeweils 12,5 % (in den Jahren 2014 und 2016) vor, bei den Hüllflächenanforderungen um zweimal rund 10 %. Bei Maßnahmen an Bestandsgebäuden sind keine direkt wirkenden Verschärfungen geplant. Bayern wird bei den Beratungen in den Ausschüssen des Bundesrats am 20. Juni 2013 den Antrag stellen, die Erhöhung der energetischen Anforderungen in einer Stufe, und zwar zum 1. Januar 2016, zusammenzufassen und auf einer der bisherigen Stufen zu beschränken, sprich die vom Bund angestrebte Verschärfung zu halbieren.
Die GLASWELT Redaktion meint: Wer auf Wirtschaftlichkeit pocht, sollte wissen, dass bisher jede EnEV zu unwirtschaftlichen Gebäuden geführt hätte, wenn man sie nicht unterschreitet. Eine vorbildliche politische Forderung wäre es also, sich für die verbindliche Integration einer Wirtschaftlichkeitsanalyse in der EnEV stark zu machen. Das würde Bauentscheidern die Augen öffnen und automatisch zu geringeren Energieverbräuchen führen – ganz ohne Verordnungszwang, rein aus Einsicht. Und wer noch fortschrittlicher ist, setzt sich für endenergetische Anforderungen ein, der primärenergetische Bezug führt zwangsläufig zu kostspieligen Fehlentwicklungen.
Auch Jochen Vorländer von der Zeitschrift TGA Fachplaner (die im gleichen Verlag herausgebracht wird wie die GLASWELT) ergänzt: "Herrmanns EnEV-Konzept ist nicht neu, sondern von der FDP-Bundestagsfraktion gemopst. Die wollte sich mit einer 2016 wirksam werdenden Stufe von 15 % profilieren.
Der Bundesrat berät über die EnEV-Novelle am 5. Juli 2013 in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause. Stimmt er nur mit Änderungen zu – was nach Vorländers Meinung zu erwarten ist – muss die Bundesregierung diese für eine Inkrafttreten vollständig annehmen, sonst ist die EnEV-Änderungsverordnung insgesamt gescheitert.
Am 11. November 2009 hatte Bundesbauminister Dr. Peter Ramsauer zu seinem Amtsantritt erklärt: „Ich setze große Hoffnungen darauf, dass wir im Bereich Bauen und energetische Gebäudesanierung zu gewaltigen Energieeinsparungen kommen können. Wir hätten es uns vor 20 Jahren nicht träumen lassen, dass wir eines Tages mit einer Entwicklung, die inzwischen Standard ist – ich meine das sogenannte Passivhaus – den Energieverbrauch beim Heizen auf rund 15 kWh/(m2 a) herunterschrauben könnten. Das sind großartige Perspektiven, die ich aus meinem Haus heraus mit allen Kräften anschieben und fördern werde.“ Vorländer sagt: "Schade, dass er das vergessen hat."