_ Wenn es nass wird irgendwo am Fenster oder im Fensterfalz, dann mag man von Feuchtephänomenen sprechen – letztlich aber kann das immer passieren, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind. Der Sachverständige weiß zwar dann, an welchen Stellschrauben zu drehen ist, damit das Problem wieder in den Griff zu bekommen ist. Der Bewohner selbst gibt dem Teil die Schuld, an dem das Problem zutage tritt: Dem Fenster.
Der österreichischen Plattform Fenster geht es aber nicht darum, wieder mit dem Finger auf andere Gewerke zu zeigen und die Schuldfrage abzulehnen. Vielmehr möchte man an die Ursachen heran: Es geht darum, dem Kunden zu liefern, was er erwartet. In einem Expertengespräch mit Thomas Reibe vom österreichischen Fensteranbieter Josko, Thomas Walluschnig von Internorm, Heinz Ferk von der TU Graz und Peter Schober von der Holzforschung Austria sind wir diesen Ursachen und Lösungen auf den Grund gegangen.
Zu Beginn des Expertenaustausches beschreibt Thomas Reibe, dass bereits vor ca. 10 Jahren das Feuchteproblem stärker diskutiert wurde und die Plattform Fenster Österreich sich daraufhin aufgerufen fühlte, in diesem Punkt für Aufklärung zu sorgen. „Es ging uns dabei nicht vorrangig um das Thema Kondensat im Fenster, sondern wir hatten das Klima im Gebäude im Visier. Wir kommen ja nicht weiter, wenn wir nur ein Gewerk und eine Stelle im Gebäude ansprechen.“ Heinz Ferk von der TU Graz wurde daraufhin mit einer Gebäudeklimaanalyse beauftragt.
Fenstertausch mit ungewissem Ausgang
„Gerade bei der Sanierung tritt immer wieder der Fall auf, dass neue Fenster gegen die alten ausgetauscht werden und es dann nicht mehr funktioniert,“ beschreibt Reibe ein immer wiederkehrendes Ärgernis für die Kunden. Das Fenster werde dann häufig zum Sündenbock gemacht, der Fenstertausch kritisch betrachtet. „Aber das Kondensat hat ja nicht das Fenster gemacht.“
Das Fenster sei dann vielmehr zu einem Indikator geworden der zeige, dass das Gesamtsystem nicht mehr stimmt. Reibe dreht den Spieß um: „Im Prinzip sollte man froh sein, dass Kondensat am Fenster sichtbar wird.“ Denn wenn dies nicht der Fall wäre, dann würde die Feuchtigkeit an anderen Bauteilen erst in Erscheinung treten, wenn der Sanierungsaufwand um ein Vielfaches höher liegt. Der Experte führt an, dass sich auch die Lebensentwürfe der Menschen geändert haben: „Die Ehepartner gehen beide arbeiten, das einzige Kind geht in die Ganztagsschule, die Waschmaschine steht in der Küche und die Wäsche wird im Wohnzimmer zum Trocknen aufgehängt“, beschreibt er eine alltägliche Wohnsituation. „Klar ist, dass die Feuchtigkeit die vorher in der Wäsche war, anschließend am Fenster ist.“
Kein simples Ursache-Wirkungs-Prinzip
Peter Schober warnt: „Gefährlich ist es dem Kunden ohne genaue Analyse zu sagen, dass er falsch lüfte.“ Es gibt auch andere Ursachen: „Gebäude wurden in den letzten Jahrzehnten stark energetisch optimiert, dadurch sind diese auch insgesamt viel sensibler geworden.“ Heinz Ferk von der TU Graz bringt es auf den Punkt: „Das Einzige was gleich geblieben ist, ist der Name ‚Gebäude‘.“ Dagegen haben sich Nutzung und Bedürfnisse, Konstruktionen, Dämmung und Dichtheit der Gebäude deutlich verändert. „Bewohner können das mit ihrem Lüftungsverhalten nur noch bis zu einem gewissen Grad beeinflussen.“ Heute ist also viel mehr der Planer gefragt, sind sich die Experten einig.
Thomas Walluschnig weist deshalb darauf hin, dass es wichtiger ist, die Ursachen und nicht die Symptome zu bekämpfen. „Bei Fieber ist es auch zu spät Aspirin zu geben“. Man müsse das „Warum“ analysieren und es einfach in Zukunft besser machen – „und das ist reine Planungssache“, so der Vertriebsleiter bei Internorm. Der Planer – als Verantwortlicher für das Gebäude als Ganzes – hat klar festzulegen, was die Anforderungen sind, was die einzelnen Komponenten können müssen und diese aufeinander abzustimmen. Der Fensteranbieter liefert dann, was gefordert wird, im Rahmen des Möglichen. Oft aber bleibt dieser Abgleich von Anforderungen und Eignungen aus. Es wird versäumt, in der Planung die Bedingungen so herzustellen, damit die Komponenten in der Nutzung nicht überlastet sind. Dann wird montiert und die Schuld den Komponenten zugewiesen, an denen die Planungsfehler sichtbar werden.
Die mangelhafte Planungsleistung machen die Experten als die Ursache Nr. 1 für viele Feuchteprobleme am Bau aus. Erschwerend kommt hinzu: Der klassische Generalplaner ist bei den Detailfragen oft überfordert, vieles wird dann den ausführenden Betrieben überlassen. „Das ist unser Ansatz, hier den Finger in die Wunde zu legen“, sagt Walluschnig. „Die Fensterbauer müssen aus der Verantwortung der Planungsleistung. Der Monteur auf der Baustelle darf nicht ständig dieses Missmanagement ausbügeln müssen.“
Ein statischer Nachweis eines Gebäudes müsse immer vorliegen – dafür hält der Statiker seinen Kopf hin. Genauso sollte auch bei Gebäuden eine bauphysikalische Abfrage verpflichtend sein, fordert Thomas Reibe. Man dürfe nicht meinen, mit dem Ausfüllen des Energieausweises bereits die bauphysikalischen Gegebenheiten des jeweiligen Gebäudes behandelt zu haben. „Das ist ein gewaltiger Trugschluss,“ so der Bauphysiker Ferk.
Das Fenster „verhungert“
Auch im Gebäude selbst hat sich vieles geändert: Früher gab es den Radiator unter der Fensterbank, heute gibt es Niedertemperatur- und Strahlungsheizungen. Peter Schober: „Wir haben in den letzten 20 Jahren dem Fenster die Energiezufuhr komplett entzogen.“ Das Fenster „verhungere“ durch die nicht mehr eingebrachte Energie. Damit haben sich die Ströhmungsverhältnisse dramatisch verändert. Wir gehen immer noch von einer warmen Luftwalze aus, die für eine ausreichende Wärmezufuhr zu allen Oberflächen sorgt.Nur haben die Heizflächen heute nicht mehr die Temperatur, eine solche Konvektion anzutreiben. Die Raumluft trifft auf die Glasoberfläche, kühlt dort ab und fällt dabei nach unten. Dadurch werde der untere Glasbereich und das Fensterprofil abgekühlt. Die Ströhmungsverhältnisse drehen sich also völlig um, früher die Warmluftwalze, die das Fenster erwärmt hat, nun die Kaltluftwalze, die den unteren Fensterbereich abkühlt. „Es gibt damit weniger Wärmeenergie für die Bauteile mit schlechterer Verteilung im Raum.“ Dem kann z. B. in der Planung durch die Einbaulage des Fensters oder eine Fensterbankheizung innen entgegengewirkt werden.
Heinz Ferk dazu: „U- und Psi-Werte werden für das Fenster nach der Norm unter den Norm-Randbedingungen ermittelt. Nur diese finden sich kaum mehr in der Praxis wieder.“ Josko-Mann Reibe macht es praktisch: „Die Kunden rufen an und klagen über Kondensat an bestimmten Stellen am Fenster. Und es wird berichtet, dass das Thermometer im Raum 22° anzeigt.“ Halte man dann das Thermometer an das Fenster, werden in extremen Fällen gar nur mehr 16°C und damit eine deutlich erhöhte relative Luftfeuchte angezeigt, resultierend aus den höheren Temperaturen in der Raummitte.
Natürlich darf man den Behaglichkeitsaspekt auch nicht vernachlässigen: In Wirklichkeit gehe es den Bewohnern ja gar nicht um die Temperatur der Luft, sondern um die Empfindungstemperatur, die sich aus der Temperatur der Oberflächen und der der Luft zu gleichen Teilen zusammensetzt, so Heinz Ferk. „Bei einem hochgedämmten Gebäude ist es viel schwieriger das Raumklima an wechselnde Bedingungen anzupassen, da die Steuerungsmöglichkeiten durch die deutlich geringeren einsetzbaren Energiemengen sehr begrenzt sind und deutlich träger reagieren. Man braucht also ein intelligentes Raumklimamanagement, um mit der geringeren Energie kontinuierlich ein behagliches und bauteilverträgliches Raumklima sicherzustellen.“
Wie dicht ist eigentlich dicht?
Zur Ehrenrettung des Fensters konstatiert Peter Schober: Das Kondensat auf der inneren Oberfläche ist ein relativ kleines Problem – dafür gibt es ja die warme Kante und die gedämmten Profile u. v. m. Die Fensterkonstruktionen wurden so optimiert, dass diese jetzt auch den schwierigeren vorherrschenden Klimabedingungen standhalten können. Aber die Gefahr bestehe, dass die Laibung zu stark feuchtebelastet ist oder die Feuchtigkeit durch kleinste Mikroöffnungen in der Fensterkonstruktion transportiert werde. „Es gibt auch heute im Hochbau keine absolut luftdichten Fenster“, so Schober. „Überlagert wird das Temperaturproblem durch die geänderten Druckverhältnisse innerhalb des Gebäudes“, ergänzt Ferk. Der in dichteren Gebäuden vorherrschende Überdruck führt dazu, dass die feuchte Raumluft in die kleinsten Fugen am Fenster gedrückt wird. Wird in den kühleren Bereichen der Profile die Taupunkttemperatur unterschritten, fällt Kondensat aus. Da thermischer Auftrieb in einem offenen Raum immer zu höherem Druck im oberen Bereich führt, sind Fenster in den oberen Stockwerken stärker betroffen als Fenster in den unteren Etagen. Und je dichter ein Gebäude ist, desto stärker ist dieser Effekt. Die Probleme fangen also immer in den oberen Geschossen an.
Die Lösung liegt auf der Hand
So schlimm es sich darstellt, so einfach ist aber auch die Lösung, so die einhellige Meinung in der Runde: Eine gut eingestellte Abluftanlage, die keinen Überdruck, sondern leichten Unterdruck erzeugt, kann die ungünstigen Strömungsverhältnisse ausgleichen und eine Lösung darstellen. Ein Grund mehr, warum sich die Plattform Fenster mit anderen Gewerken, z. B. auch mit den Lüftungsherstellern, abstimmt.
Die Frage bleibt, ob der qualifizierte Bauelementehändler auch in der Lage ist, sich als Raumklima-Lösungsanbieter weiterzuentwickeln? Die Experten glauben daran – mit dem Verweis auf die eigene Produktpalette, in der auch fensterintegrierte Lüftungsanlagen enthalten sind. Gleichzeitig gibt die Runde zu bedenken, dass das Verständnis beim Kunden gering sei, deutliche Aufpreise für Lüftungsanlagen in Kauf zu nehmen.
Peter Schober von der Holzforschung Austria macht der Branche dennoch Mut: Er sieht die Chance, den nächsten Schritt zu tun und das Portfolio zu erweitern. Der ursprüngliche Nutzen des Fensters – die manuelle Lüftung – kann mittlerweile um eine intelligente Low- oder Hightech-Lüftung am Fenster erweitert werden. Diese bedarf der Berücksichtigung durch den Planer bei der Erstellung seines Lüftungkonzepts.
Reibe resümiert: „Wir sehen: Es ist häufig zu kurz gedacht, nur ein lokales Problem zu betrachten und gleich den Schuldigen zu suchen. Man muss das gesamte Gebäude betrachten, um nachhaltige Lösungen zu finden.“
Gilt noch „innen dichter als außen“?
Eine Frage hatte ich dann noch an die Runde: „Wie steht es mit der allgemeingültigen Gesetzmäßigkeit ‚innen dichter als außen‘?“ Unisono wird geantwortet, dass man froh sei, einen Paradigmenwechsel erreicht zu haben. „Der Grundsatz ist zwar auch nicht falsch, aber man kann es eben auch intelligenter gestalten“, so Schober. Ein Beispiel sei die österreichische Montagenorm, in der nur gefordert werde, dass eine schädliche Kondensatbildung infolge von Diffusion zu verhindern sei und dass das feuchtetechnische Verhalten der angrenzenden Baustoffe ebenfalls maßgeblich sei.
Peter Schober gibt weiter zu Protokoll in Bezug auf die Änderungen in der ÖNORM B 5320: „In Deutschland tun sich viele mit dem umfangreichen Montageleitfaden etwas schwer. Wir versuchen es so aufzubauen, dass es sogar der Endkunde versteht und haben einen Standard-Fensteranschluss definiert. Der Fensterbauer kann jetzt sein Gewerk abschließen und übergeben. Dazu kommt, dass wir den Planer sensibilisiert haben, dass hier ein erheblicher Aufwand dahintersteckt, der zu honorieren ist.“
Normen sind keine Problemlöser
Womit die Gesprächsrunde bei der Frage nach der Überregulierung der Branche angelangt ist. Dazu der HFA-Mann Schober: „Grundsätzlich sollte man in der Norm keine Konstruktionen vorgeben, sondern die Anforderungen festlegen. Die Hersteller und Ausführenden setzen diese dann um, müssen aber auch mehr Verantwortung übernehmen in dem was sie tun.“ Leider sei mittlerweile gerade die internationale Normung eher Lobbyarbeit – früher habe man sich an einen Tisch gesetzt und technische Kompromisse gefunden. Heute möchte man eher industrielle Interessen durchsetzen, so die Auffassung von Schober.
Walluschnig bläst ins selbe Horn: „Leider können wir bei vielen Normen kaum mehr ausreichend Einfluss nehmen, europäische Normung erfordert viele Kompromisse, der nationale Endanwender bleibt dabei oft auf der Strecke.“ Die entstehenden Normen beruhen oft nicht auf dem bestmöglichen Nutzen, sondern auf der größten gemeinsamen Menge. „Wir packen alles hinein und möchten das normativ regeln, anstatt den gesunden Menschenverstand wieder zu fördern, Mindestkriterien zu definieren und dann die Freiheit zu haben, Dinge länderspezifisch umzusetzen.“ „Die Baupraktiker ziehen sich aus den Normen zurück“, heißt es übereinstimmend, weil die Normen zu komplex und abgehoben worden sind, und sich eben zu wenig an der individuellen Nutzung orientiert wird. Diese gilt es wieder in den Fokus zu bringen, im Sinne einer guten Entwicklung für die Zukunft des Bauens. —
Was ist die “Plattform Fenster Österreich“
Diese Plattform setzt sich zusammen aus österreichischen Fensterherstellern und drei Fachverbänden. Eine Grundvoraussetzung für die Mitgliedschaft in dem Werkstoff unabhängigen Verein ist die tatsächliche Fenster-Produktion in Österreich. Und „wir freuen uns über jeden, der mitmacht, dann ist man auch stärker“, sagt Thomas Walluschnig von Internorm. Zwar stehen die aktiven Fensterhersteller auch in einem direkten Wettbewerbsverhältnis zueinander, aber es gebe viele Themen, die man gemeinsam anpacken könne: Beispielsweise bei der Ausbildung, bei staatlichen Förderprogrammen, bei der Normung und regulatorischen Festlegungen, so der Obmann-Stellvertreter des Vereins. Walluschnig: „Beispielsweise drängt die Plattform zu einem eigenen Lehrberuf Fenstertechniker.“
Auch den Endkunden selbst hat die Plattform im Visier: So wurde eine Qualitätsrichtlinie erarbeitet, in der endkundengerecht die Leistungsfähigkeit von Fenstern, Außentüren und Fassadenelementen dargestellt wird. Walluschnig: „Wir wollen es also dem Endkunden leichter machen, die Qualität unserer Produkte beurteilen zu können.“
Im Grunde gehe es darum, Lösungen zu finden für den Endkunden und für die fensterproduzierende Branche, erläutert Josko-Mann Thomas Reibe, der sich ebenfalls in der Plattform engagiert. Und Walluschnig ergänzt: „Darüber hinaus ist uns auch die gewerkeübergreifende Zusammenarbeit und Verständigung wichtig. Der schlechte Ruf auf dem Bau komme vor allem daher, weil jeder sein Gewerk optimiert und beim Kunden haben wir dann ein großes Problem, dass die Abstimmung nicht funktioniert.“
Eine Richtlinie soll deswegen helfen, die Schnittstelle zwischen Fenster, Sonnenschutz und Fassade aufeinander abzustimmen, das Bewusstsein der beteiligten Gewerke zu schärfen und Lösungsansätze für Planer, Ausschreibende und Ausführende aufzuzeigen.
Peter Schober: „Die Plattform blickt über das eigene Gewerk hinaus. Das Ziel ist: Wir brauchen die anderen.“ Viele Fensterbauer würden ja bereits einen „Ferrari“ herstellen – der wichtige Aspekt, wie dieser aber auch seine volle Leistungsfähigkeit entfalten kann, wird leider zu oft vernachlässigt. Denn dann müsse man mit den Abdichtern, den Maurern oder den Dachdeckern auch sprechen. Es gehe auch darum, die vor- und nachgelagerten Beteiligten zu verstehen.
Ein weiteres Thema für die Plattform: Hinweise zu geben, was der Kunde und auch der Fensterlieferant tun muss, das Fenster in der Bauphase ausreichend zu schützen. Walluschnig: „Auch das klassische Solbank-Problem sind wir angegangen, haben eine gemeinsame Richtlinie mit den Dachdeckern erarbeitet und die wichtigen Schnittstellen definiert.“
Kontakt zur Plattform über Thomas Walluschnig (thomas.walluschnig@internorm.com) oder Thomas Reibe (thomas.reibe@josko.at).