_ Das Handelsblatt wies am 3. Mai 2018 erstmalig darauf hin, dass der Entwurf des Bundeshaushaltes 2018 keine steuerliche Förderung für Energieeffizienzmaßnahmen im Gebäudebereich vorsieht. Dies war insofern ein Paukenschlag, als CDU, CSU und SPD am 7. Februar 2018 in ihrem Koalitionsvertrag unmissverständlich festschrieben: „Wir wollen die energetische Gebäudesanierung steuerlich fördern. Dabei werden wir für die Antragsteller ein Wahlrecht zwischen einer Zuschussförderung und einer Reduzierung des zu versteuernden Einkommens vorsehen.“ Zwölf Wochen später, als die Haushaltsberatungen im Deutschen Bundestag anstanden, alles nur wieder Schall und Rauch? Das wirkt wie ein energetischer Offenbarungseid der Bundesregierung!
Dabei ist Energieeinsparung im Wärmemarkt z. B. bei der Gebäudehülle, vornehmlich im Glas- und Fensterbereich, dringender geboten denn je.
Aufgrund der 1. Ölkrise 1973 mit dem explosionsartigen Preisanstieg beim Rohöl und den damit verbundenen horrenden Energiekostensteigerungen, hatte die damalige sozialliberale Koalition unter Kanzler Helmut Schmidt bereits vor über 40 Jahren mit dem Energieeinsparungsgesetz [EnEG] die Weichen in die richtige Richtung gestellt: „Energiesparen – unsere beste Energiequelle“, so lautete das politische Credo aus dem Bundeswirtschaftsministerium.
Mit dem in Fensterkreisen als „Lex Window“ bezeichneten „Gesetz zur Einsparung von Energie in Gebäuden“ wurde ein beispielloser Boom ausgelöst, der sich wie ein warmer Regen über die Fenster- und Isolierglasbranche ergoss …
Mutige Seiteneinsteiger wie Georg F. Hesselbach wussten als Pioniere die Zeichen der Zeit zu nutzen und etablierten sich erfolgreich mit Neugründungen, wie Interpane in dem bislang von der Industrie dominierten Flachglasmarkt.
Nach wie vor ist der Wärmemarkt mit 49 % Anteil am Endenergieverbrauch der größte Energiefresser, weit vor dem Verkehrssektor und Strommarkt. Gebäude sind für ein Drittel der CO2-[Kohlendioxid]-Emissionen (Treibhausgase) verantwortlich.
Daraus lässt sich unschwer ableiten: Eine deutliche Steigerung der Energieeffizienz bei den Gebäuden ist der maßgebliche Schlüssel zur Erreichung der Klimaziele. Mit dem Kyoto-Protokoll haben sich bereits 1997 nahezu 200 Staaten völkerrechtlich (!) verpflichtet, dem Klimawandel durch eine drastische Senkung des Treibhausgasausstoßes entgegenzuwirken.
Erneuerbare Energien können Wärmedämmung nicht ersetzen
Anlässlich der BAU 2009 hatte Prof. Gerd Hauser als Leiter des Fraunhofer Instituts für Bauphysik im Deutschlandfunk darauf hingewiesen, dass unsere Häuser erst zu dämmen sind, bevor zusätzlich Energie in Form von Solarthermie und Photovoltaik [PV] gewonnen wird. Zitat: „Es macht keinen Sinn, mit der PV zu beginnen und die Wärmedämmung zu vernachlässigen.“
Tatsächlich jedoch haben die jeweiligen Bundesregierungen der letzten Jahrzehnte den Ausbau des Strommarktes in Form der Erneuerbaren Energien [EE] wie Photovoltaik, Windkraft und Biogas mittels kräftiger Förderung und exorbitanten Subventionen massiv vorangetrieben: Die EE haben mittlerweile einen Anteil von ~ 13 Prozent am gesamten Energieverbrauch erlangt, dafür haben wir als (Strom-)Verbraucher bislang aufgrund der EEG-Umlage [Erneuerbare-Energie-Gesetz] aber auch die stolze Summe von 150 Mrd. Euro bezahlt. Derzeit kostet die EEG-Umlage den Stromverbraucher Jahr für Jahr sage und schreibe rund 25 Mrd. Euro.
Die Netzbetreiber sind bekannterweise gezwungen, Ökostrom nachfrageunabhängig zu staatlich festgelegten Tarifen aufzukaufen und vorrangig einzuspeisen; die Differenz zum eigentlichen Strompreis, der auf der Strombörse EEX in Leipzig ermittelt wird, ist dann von uns Verbrauchern mit der EEG-Umlage zu zahlen. Wie wir alle als Haushaltsstromkunden erfahren mussten, ist diese Umlage seit 2010 von 2,05 auf 6,79 Cent/kWh gestiegen – das sind immerhin mehr als 200 % Steigerung in weniger als 10 Jahren. Die Subventionierung des Ökostroms ist nicht nur unermesslich teuer, sie ist zudem auch noch ineffizient!
Was hat letztendlich diese vorbehaltlose Hinwendung zu den EE energiepolitisch bewirkt?
Bekanntlich hat das Kabinett Merkel II mit seinem am 28. September 2010 verkündeten Energiekonzept eine Reihe von bemerkenswerten Zielsetzungen bis zum Jahre 2020 festgeschrieben. Abgesehen von dem angestrebten Anstieg des Anteils der EE am Bruttostromverbrauch auf 35 % werden alle andere Ziele z. T. drastisch verfehlt.
So hat sich die angekündigte Verdoppelung der Gebäudesanierungsrate auf 2 % ebenso als Utopie erwiesen, wie die Minderung der Treibhausgasemissionen um 40 % gegenüber dem Stand 1990; dies wird zwischenzeitlich auch offiziell eingeräumt: derzeit sind gerade mal 28 % erreicht.
Von anderen Zielvorstellungen ganz zu schweigen. Das ist nunmehr wirklich kein energiepolitisches Ruhmesblatt für unsere verantwortlichen Bundespolitiker, allen voran die jahrelang als Klimakanzlerin titulierte Angela Merkel.
Zielführende Maßnahmen
Generell erscheint ein systematischer und konsequenterer Ansatz einer wirksamen Klimastrategie als bisher erforderlich; vor allem darf sich diese nicht in hehren Worte erschöpfen, es müssen dringend konkrete Taten folgen; notwendig sind zudem kontinuierliche Evaluations- und Monitoring-Bewertungen der eingeleiteten Maßnahmen. Auch in der Politik hat zu gelten: Delegation erfordert Kontrolle!
I.Eine stringente Forcierung von Energieeffizienzmaßnahmen ist seitens der politisch Verantwortlichen unerlässlich. Die Treibhausgasemissionen müssen drastisch sinken! – Gebäudesanierungsmaßnahmen dürfen allerdings nicht für ungerechtfertigte Miet- und Baupreiserhöhungen herangezogen werden, wie dies teilweise erfolgt.
II.Die konsequente Hinwendung zum Wärmemarkt, der nach wie vor den größten Energieverbrauch aufweist, ist dringend geboten. Ohne drastische Veränderungen im Wärmebereich wird es keine erfolgreiche Energiewende geben! Der private Konsum an Raumwärme und Warmwasser ist doppelt so hoch wie der von Strom.
III.Das Wärmeverhalten von Fenstern wird nicht nur von Transmissionswärmeverlusten bestimmt, sondern im Gegensatz zu nichttransparenten Bauteilen auch von der nutzbaren Sonneneinstrahlung (passive Solargewinnung). Allein Fenster sind geeignet, die Sonnenenergie zur Reduzierung des Heizenergieverbrauchs zu nutzen und das kostenlos!
IV.Zusätzlich ist ein attraktives Anreizsystem speziell für private Hauseigentümer zu schaffen, d. h. neben dem sich bewährten KfW-Förderprogramm ist endlich die überfällige steuerliche Abschreibung (Steuerbonus) für vorgenommene energetische Gebäudesanierung einzuführen.
V.Letztlich muss der Staat seine Vorbildfunktion bei der energetischen Gebäudesanierung wahrnehmen. ~ 12 % der Gebäude befinden sich im Eigentum der öffentlichen Hand.
Resümee
Zunehmend zeigen uns Unwetter mit Starkregen und tornadoähnlichen Stürmen mit nachfolgenden Überschwemmungen und Hochwasser oder aber Hitzeanomalien mit entsprechenden Dürreperioden, dass wir mit unserer Mutter Erde Raubbau betreiben; wer heutzutage die globale Erderwärmung und damit den größtenteils vom Menschen verursachten Klimawandel noch bestreitet, ist offensichtlich nicht von dieser Welt!
Unsere natürlichen Lebensgrundlagen sind durch emittierende Treibhausgase und immensen Ressourcenverbrauch mehr und mehr gefährdet. Die immer noch überwiegend fossile Energieerzeugung und die nach wie vor verschwenderische Energienutzung erfordern in der Tat eine grundlegende ökologische Energiewende.
Die schnelle und spürbare Senkung des Energieverbrauchs u. a. bei Gebäuden stellt den entscheidenden Hebel dar, um die Energieeffizienz zu steigern und den Ausstoß von CO2 zu senken. Dabei ist eine stärkere Zuwendung auf den Wärmemarkt mit Raumwärme und Brauchwasser und nicht die nahezu ausschließliche Ausrichtung auf den Strommarkt unabdingbar.
Ein anderer bedeutsamer Hebel ist die Umstellung von fossilen auf regenerative Energieträger. Allerdings muss die Nutzung und Ausweitung erneuerbarer Energien auf einer marktwirtschaftlichen Methodik basieren; eine staatliche „Anschubfinanzierung“ der Ökostromerzeugung war zweifelsohne nötig und richtig, aber doch nicht eine maßlose, aus dem Ruder laufende Dauersubventionierung. So wurden Landwirte zu Energiewirten gehätschelt.
Solange in Deutschland nicht ausreichende Leitungsnetze und entsprechende Speicherkapazitäten für den dezentral erzeugten Solar-(PV), Windkraft- und Biogasstrom geschaffen sind, ist die auch im Koalitionsvertrag weiter vorgegebene Forcierung von Erneuerbarer Energiegewinnung unsinnig; bereits heute müssen zu gewissen Zeiten die Netzbetreiber dafür, dass ihnen der überschüssige, nicht in das Netz einspeisfähige Strom z. B. vom Ausland abgenommen wird, zahlen. Welch ökologischer und marktwirtschaftlicher Unfug!
Was die verschiedenen Bundesregierungen bisher in Sachen „Energiewende“ bewirkt haben, war alles andere als der große ökologische Wurf. Die Bilanz ist mehr als ernüchternd, wurden doch nahezu alle Klimaschutzziele bislang verfehlt. Es wird Zeit, die Energiewende nicht nebenbei zu händeln, sondern alle politischen Kräfte zu konzentrieren, zu bündeln.
Schluss mit der unsteten Politik! Aus beispielsweise vier sich mit der Energiewende und dem Klimaschutz befassenden Berliner Ministerien, sollte ein kompetentes, durchsetzungsstarkes Energieministerium geschaffen werden. Dies zumindest wäre ein vielversprechender Weg, die vielen getroffenen Aussagen endlich erfolgreich in die Tat umzusetzen!
So könnte die viel propagierte Energiewende doch noch zum gewünschten ökologischen Erfolg geführt werden. Zusätzlich würde sie für eine ökonomische Belebung sorgen; und nicht zuletzt wäre denkbar, die Strompreise für den Verbraucher wieder auf ein sozial-verträgliches Niveau (zurück)zuführen. —
Der Autor
Bernd Kramer, Jahrgang 1946, war bis August 2005 Vorstandsvorsitzender der Interpane Glas Industrie AG. Heute lebt er in der Lüneburger Heide, vor den Toren Hamburgs.